Skizzen einer Reise nach Holstein besonders der Probstey Preetz

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Titelblatt
Kupferstich

J. Taillefas, 1817

Allgemeine Bemerkungen über die frühere Geschichte der Probstey

Die älteste Geschichte des Districkts, der in Holstein vorzugsweise »die Probstey« heißt, verliert sich in Dunkelheit. Auch darf dies nicht befremden, da der Districkt, an und für sich zu klein, kein Volk enthält, das sich durch Kriegsthaten auszeichnete, oder sich sonst eine historische Merkwürdigkeit errang. Ja, er war höchstwahrscheinlich in frühern Zeiten, in denen schon die Bewohner mehrerer Gegenden Holstein sich historisch merkwürdig machten, nur theilweise bewohnt. Aeußerst wahrscheinlich sind die Novalia in der ersten Urkunde des Klosters Preetz, der Schenkungsacte des Lübeckischen Bischoffs Berthold vom Jahre 1220 hier zu suchen. Auch in dem Diplom des Herzogs Albert von Sachsen vom Jahre 1232, wodurch derselbe des Grafen Adolphs IV. Stiftung des adelichen Frauenklosters zu Preetz, als Lehnsherr desselben bestätigte, ist ein ansehnlicher Theil der jetzigen Probstey, von der Hagener Au bis an die Schmoler Gränze, mit: Wald und Wiese bezeichnet. So manche innere Spuren bestätigen diese Ansicht. Was zuerst die Waldungen betrifft: so haben sich nicht nur die Namen mehrerer Hölzungen, an denen ein diese Gegend so reich gewesen seyn muß, bis auf unsere Zeit erhalten, sondern selbst Zeitgenossen haben noch das allmählige Hinschwinden einst beträchtlicher Waldungen erlebt. Ja, es haben sich hierüber in den einzelnen Dörfern glaubwürdige Traditionen erhalten. So weiß man von dem Dorfe Bentfled, daß auf diesen itzt so fruchtbaren Feldern an 400 Schweine in die Mast gejagt wurden, und von dem Dorfe Fahren, auf dessen Feldern itzt vorzüglich üppige Saaten prangen, daß das ganze erst spät urbar gewordne Feld größtentheils Wald und Morast, wie das Dorf selbst, Wohnung von Kohlebrennern und Fischern war. Auch findet man noch zuweilen auf den Feldern mehrerer Dörfer in Mergelgruben, und Moorwiesen, oft sechs bis acht Fuß tief, ganze Schichten von Eichäumen auf und über einander gelagert, eine Erscheinung, die doch wohl den vormaligen Überfluß an Waldungen hinlänglich beurkundet. Betrachtet man überdieß die große Reihe von salzen Wiesen, die von Wenddorf an bis zu Schmoler Gränze am Gestade der Ostsee das Ackerland der Probstey umringen, so überzeugt man sich, wie sie nur durch Abgrabung in den Stand gesetzt werden konnten, Menschen und Vieh zu tragen, und wie sie erst durch allmählige Kultur ihre jetzige Brauchbarkeit erhielten. Der Name »Probstey« beweist, daß die eigentlich historische Existenz dieses Völkchens erst mit dem Zeitpunckt beginnt, da es dem Kloster Preetz untergeben war. Der Name ist erst auf dem 13ten Jahrhundert, und bedeutet bestimmt einen Districkt, über den der p.t. Probst des Klosters Preetz zu sagen hat.

Historisch gewiß ist, daß die Gegen der jetzigen Probstey seit dem Anfang des neunten Jahrhunderts von einer wendischen Völkerschaft bewohnt wurde. Im Kirchspiel Probsteier Hagen führt noch ein Dorf den Namen Wenddorp. Auch fehlt es in dieser Gegend nicht an Überbleibseln wendischer Opferaltäre und Grabstätten, welche hier in der Volkssprache Riesenbeete oder Steinbetten genannt werden. Zwar hat nicht sowohl blinder Religionseifer und die von ihm erzeugte Sucht, alle Denckmäler des Heidenthums zu zerstören, als vielmehr Unkunde ihres historischen Werths, das Bedürfnis großer Steine zu größern Bauten, und besonders das rege, thätige Streben, jeden kleinen Platz Landes urbar zu machen und ihn ökonomisch zu benutzen, auch hier über alle Überbleibsel aus den Zeiten der Wenden das Zerstörungsurtheil gesprochen; allein theils ist die Zerstörung und Wegräumung derselben noch zu neu und durch noch lebende Augenzeugen bewirkt, und theils sind noch in den letzten Jahren solche Überbleibsel auf zu vielen Stellen gefunden, als daß über ihre wirkliche Existenz irgend ein gegründeter Zweifel statt finden könnte. Die meisten und merkwürdigsten Spuren fanden sich bey dem Dorfe Barsbeck, wo die sichere Spur eines vorzüglich großen Opferaltars gefunden ist. Auf einem Hügel, der sich bedeutend über die übrige Fläche des Landes erhebt und Steinhorst genannt wird, ruhte auf fünf großen Steinen, die ihm zu Fußgestell dienten, ein Stein von einer so ungeheuren Größe, daß alle noch lebenden Augenzeugen es für durchaus unmöglich erklärten, daß Menschenhände ihn auf diese Höhe bringen konnten. Er lieferte, nachdem er zersprengt war, eine unglaubliche Menge großer Steine, von denen ein Theil itzt als Mauer die Bauervogtshufe umgiebt. Man beschrieb seinen Umfang, wie den des Wohnzimmers in einem neuerbauten Hufnershause. Das scheint übertrieben, aber es ist es nicht; die Angabe stimmt ganz mit den Nachrichten mehrerer Schriftsteller überein. Eine Nation, welche, wie die Wnden, nur körperliche Vorzüge, und besonders beträchtliche Leibesgröße und starke Kräfte schätzte, konnte keine tiefere Eindrücke von der Macht Gottes erhalten, als den, der von der übernatürlichen Größe seines Sitzes entsprang. Daher sorgten ihre Priester für außerordentlich große Altäre, und häuften Steine, die bis auf zehn Ellen im Durchmesser hatten, auf andre erhöhte Steine mit solcher Festigkeit, daß sie Jahrtausende ausdauern konnten. Diese Altäre gaben sie dann für das Werk Gottes aus, und verschafften ihnen dadurch eine besondere Heiligkeit. In eben diesem Dorfe, auf dessen Feldern noch ein kleiner Altar und mehrere wendische Grabstätten waren, wurden im Jahre 1786 in einem Garten, aus welchem man Sand zur Wegebesserung fahren wollte, beym Abfahren eines Hügels fünf Urnen gefunden, die in einem Kreise standen, und noch vor 12 Jahren fand ein Hüfner, gleichfalls in seinem Garten, eine Urne mit Ascha und neben derselben einen Dolch und andre unerkenntliche Kleinigkeiten. Ja, fast bey allen Dörfern weiß man die Plätze genau, wo die sogenannten Steinbetten gestanden haben. Meistens wurden sie bey der Einkoppelung zerstört. Noch vor einigen Jahren wurden auf dem Felde des Dorfes Bentfeld mehrere Aschenkrüge gefunden, selbst noch 1810 bey Laboe in einer Mergelgrube sechs, welche in Hinsicht des Platzes, den sie gegen einander einnahmen, ein Quadrat von 12–14 Fuß bildeten, und in demselbsen Jahre noch eine bey Fahren in einer Mergelgrube, nachdem man schon früher mehrere auf dem Felde dieses Dorfes gefunden hatte.

Im Jahre 1139 nahm Graf Adolph II. von Holstein das ganze Land der Wagerwenden ein, und seit dieser Zeit wurzelte das Christentuhm hier fester, besonders durch des Beschoffs Vicelin Bemühungen.

Wagrien war in den letzen Kriegen fast ganz verheert; mehrere Gegenden waren von ihren Bewohnern verlassen, menschenleer und öde. So fand es Graf Adolph II. vor, als er seit 1139 wieder Herr der Grafschaft Holstein wurde. Er schickte daher Boten nach den Niederlanden, und ließ die Familien, welche an Ackerlang Mangel hätten, unter vortheilhafen Bedingungen einladen, sich in dem fruchtbaren Holstein niderzulassen. Es stellten sich sehr viele ein, und von diesem sollen auch einige nach der jetzigen Probstey gekommen, und diese der Stamm der jetzigen Probsteier seyn. Nach Anderen soll die Probstey zu dem District gehören; den man den Wenden nach ihrer Vertilgung ließ, daß sich hier also eine kleine wendische Kolonie erhalten habe. Diese leztre Vermuthung wird durch einige sehr auffallende Aehnlichkeiten begünstigt:

  1. Ein Geschichtsschreiber erzählt von den Wenden ausdrücklich, daß man sie in Deutschland für die geschicktesten Anbauer sandiger Gegenden hielt, und daß die Landesherrn mehrerer Staaten Deutschlands viele wendige Kolonisten in ihre unangebaute Einöden versetzten, und sie durch mancherlei Vorrechte und Unterstüzzungen in ihr Gebiet zu ziehen suchten.
  2. Auch die vorzügliche Geschicklichkeit im Flachsbau, und der Leinenhandel, welche den Wenden beigelegt werden, haben sich bis auf unsere Zeit bey den Probsteiern erhalten.
  3. Eben so ist ein Charakterzug der Wenden: Gastfreiheit, fordauernder Zug im Nationalcharakter der Probsteier. Die Schriftsteller aller Zeiten gebrauchen die stärksten Ausdrücke, um die Gastfreiheit der Wenden zu beschreiben. Kein wendischer Mann verschloß sein Haus, seie Vorrathskammer, sonder er setzte vielmehr, wenn er sich entfernte, die Schüsseln mit Speisen auf den Tisch, und deckte sie sogfältig zu, um sie den Gästen, wenn sie in seiner Abwesenheit erschienen, rein und wohlbehalten zu hinterlassen. Und wer grade selbst nichts vorräthig hatte, führte seinen unterwarteten Gast dem Nachbar zu. Wer kennt nicht die freundliche Bereitwilligkeit der Probsteier, jeden Gast, so gut sie können, zu bewirthen, und wen erinnert nicht besonders der letzte Zug an jene ächte Gastfreiheit, mit der bey den größern Hochzeiten alle Gäste und selbst Fremde im Dorfe überall Aufnahme, Nachtquartier und freundschaftliche Bewirthung erhalten.
  4. Auch der Nationalthanz der Probsteier scheint einen wendischen Ursprung zu verrathen. Als charakteristisch wird in dem Tanz der Wenden das Aufstampfen mit den Füßen und die Aufhebungen und Schwingungen der Tänzerinnen angegeben. Beides bezeichnet noch den National-Tanz der Probsteier.
  5. Selbst in der Kleidung der Wenden in der Lausitz, wo sie noch große Gegenden bewohnen, ist eine nicht unbedeutende Aehnlichkeit mit der Nationaltracht der Probsteier. Wenn man Leske's Reise durch Sachsen, Leipzig 1785 von pag. 134–138 und die Kupfertafeln 4–7 vergleicht, so bemerkt man folgende Aehnlichkeit: bey einer wendischen Hochzeit hat der Schmuck der Braut und der Zuchtjungfern Aehnlichkeit mit dem Hinterbande der Probsteierinnen; der kurze Rock der Wendinnen, unten mit blauem Bande garnirt, mit dem eben so kurzen der Probsteierinnen mit blauem Verböhrels; das Verhüllen der Wendinnen in Trauer mit dem Schlippen der Probsteierinnen. Die um den Kopf gewundnen Tücher wurden hier vormals eben so getragen, so auch die Schuhe. Die Entfernung der Jahrhunderte, die Verschiedenheit der Stämme und der Gegenden können in den kleinen Nüancen mannigfaltige Abänderungen bewirkt haben.

Für die Ansiedlung einer niederländischen Kolonie, sey sie auch erst später eingewandert, sprechen folgende Gründe, selbst beym Mangel bestimmter, deutlicher Zeugnisse, ziemlich entscheidend.

  1. Der erbliche Besitz der Bauergüter in der Probstey. Noch im Anfange des zwölften Jahrhunderts waren die Bauern nur Pächter und besaßen die Ackerhöfe nur auf bestimmte Zeit. In den Niederlanden aber waren die Landleute nicht nur erbliche, sondern meistens eigenthümliche Besitzer ihrer Ackerhöfe und Ländereyen. Schon dieses macht es wahrscheinlich, daß niederländische Kolonisten sich unter keiner andern Bedingung werden entschlossen haben, wüste und unbebaute Felder urbar zu machen, als wenn sie Sicherheit erhielten, daß ihre Familien und ihre Nachkommen die Früchte ihres Fleißes genießen würden. Wenigstens erklärt die Einwanderung niederländischer Kolonisten diesen großen Vorzug der Probsteier leichter und natürlicher, als wenn man auch annehmen wollte, daß der Bischoff von Lübeck, und nachher das Kloster zu Preetz, unter welche diese Gegend sehr frühe kam, ihn vielleicht den zurückgeblieb'nen Wenden späterhin eingeräumt hätten. Von dem Gewohnheitsrecht der Probsteier, nach welchem ein Immobile nach dem Tode des Besitzers auf den jüngsten Sohn, und in Ermangelung dessen auf die älteste Tochter vererbt wird, ist in den Schriften der niederländischen Kolonien kein Spur zu finden.
  2. Der freye Besitz der Bauerngüther mit Beibehaltung des Obereigenthums für den Eigenthumsherrn. Die Niederländer verabscheuten die Leibeigenschaft, und reservirten in jedem Kontracte ihre Freyheit. Dies erhellt aus mehreren Urkunden. Sie bedungen es sich aus, ihre Ländereyen zu nutzen, wie sie wollten, und sie veräußern zu dürfen, welches ihnen jedesmal durch Vertrag und Übereinkunft zugestanden ward. Doch gaben sie theils Bekenngeld (cognitionem), theils übernahmen sie die Verpflichtung, sie dem Eigenthumsherrn zuerst zum Verkauf anzubieten. Eben so besitzen die Probsteier ihre Hufen völlig frey, doch müssen sie bey jeder Überlassung, bey jedem Verkauf, die Bewilligung der klösterlichen Obrigkeit suchen, und dieselben durch die obrigkeitliche Konfirmation sanctioniren lassen. Zwar ließe sich auch der freie Besitz der Hufen daraus erklären, daß diese Gegend so bald unter das lübeckische Bisthum kam, da das kanonische Recht auch keine Leibeigenschaft duldet; allein auch diese Prärogative erklärt eine niederländische Kolonie natürlicher.
  3. Die Abgaben, welche die niederländischen Kolonien an Zins und Zehnten entrichteten, haben Ähnlichkeit mit den Abgaben der Probsteier.
  4. Die National-Tracht, und überhaupt alle National-Eigenthümlichkeiten der Probsteier sind weit erklärbarer, wenn man annimmt, daß die Eingewanderten ihre Beybehaltung zur Bedingung gemacht haben, die man ihnen, weil ihre Ansiedlung wünschte und sie hereingerufen hatte, einräumen mußte
  5. Die Sprache der Probsteier unterscheidet sich sowohl im Dialekt, als in Ausdrücken, Wörtern, Redensarten und Sprüchwörtern auffallend von der Sprache ihrer Nachbarn, wie es die so häufigen Idiotismen beweisen. Zwar ist nicht zu glauben, daß diese mit Sicherheit auf die Stammsprache leiten können, da höchst wahrscheinlich die alte sächsische, holsteinische und holländische Sprache nur unterschied'ne Mundarten einer und derselben Stammsprache sind; allein auf jeden Fall sind auch diese Idiotismen ein Grund mehr, die Einwand'rung einer fremden Kolonie zu verrathen.
  6. Die Familiennamen einzelner Probsteier geben die Abstammung von einer niederländischen Kolonie ebenfalls zu erkennen.

Hieraus scheinen folgende Resultate sich zu ergeben:

  1. Der ganze District, den man jetzt die Probstey nennt, muß in Rücksicht auf seine frühere Beschaffenheit aus einem zwiefachen Gesichtspunkt betrachtet werden. Er war theils von Wenden bewohntes Land, theils novalia, d.h. erst später urbar gemachtes, Neubruchsland. Den Beweis giebt seine natürliche Beschaffenheit, wie die Diplome.
  2. Bey den allgemeinen Niederlagen der Wenden erhielt sich in der Probstey ein kleines Häufchen derselben. Den Beweis giebt das Dorf Wenddorp, einige wendische Familiennamen u.s.w.
  3. Auf des Grafen Adolph II. Aufruf wanderten hier auch einige Edelleute ein, und errichteten kleine Höfe. Zum Beweise dienen mehrere kleine Höfe, so wie der Ankauf einzelner Probstey-Dörfer von Edelleuten urkundlich erwiesen wird.
  4. Es wanderten aber auch Kolonisten ein, um den größeren Theil des aus Wald und sumpfigten Wiesen bestehenden Landes urbar zu machen. Aber nicht unter Adolph II., sondern erst am Ende des 12ten oder im Anfange des 13ten Jahrhunderts, als diese Gegend schon unter dem Bisthum Lübeck stand. Der größere Theil waren Niederländer, weil diese vorzüglich geschickt waren, niedrige sumpfigte Gegenden (paludes) urbar zu machen. Der Zeitpunckt der Ansiedlung ist nicht historisch erwiesen, aber ihre hiesige Existenz ist doch aus obigem wohl mehr, als wahrscheinlich.

5.Die heterogenen Theile bildeten sich erst zu einem Ganzen, als dieser District Probstey wurde, d.h. als er unter das Kloster Preetz kam. Die Vorrechte, die man dem größeren Theil, den Kolonisten einräumen mußte, wil diese sich unter keiner andern Bedingung ansiedeln wollten, ertheilte man der Gleichförmigkeit wegen auch dem kleineren Theil. Dies ist gar nicht zweifelhaft, wenn man an die geistlichen Oberherren denkt; auch war das kleine Häufchen Wenden gar nicht mehr furchtbar, da nun alle übrigen in den adlichen Güthern Wagriens ins Joch einer harten Leibeigenschaft gezwängt waren. So assimilierten sich die einzelnen Partien eines zusammenhängenden Gebietes unter einer Oberherrschaft zu einem gleichförmigen Ganzen. Die Probsteier Nationaltracht scheint auf den ersten Anblick ein Einwurf dagegen zu seyn; alleine sie ist es nicht, denn auch die Untergehörigen des Guthes Hagen nahmen diese Tracht an, und haben sie bis auf den heutigen Tag beygehalten, ohne Probsteier zu seyn.

Die Gegend der jetzigen Probstey stand einige Jahrhunderte hindurch unter dem Bisthum Lübeck. Danckwarth, der sich um die Landesbeschreibung Holsteins so verdient gemacht hat, erzählt, daß son das Jungfrauen-Kloster in Lübeck seine Felder in dieser Gegend liegen habe. Bald gehörte das ganze Wagrien zur Diöces des Bischoffs von Lübeck.

Im Jahre 1220 schenkte der lübeckische Bischoff Berthold dem Jungfrauen-Kloster zu Preetz die ihm von der Kirche zukommenden Zehnten, alle zur Seelsorge gehörigen geistlichen Verrichtungen, die Gerichtsbarkeit, die Befugniß, als Vicar und Official des Bischoffs alle geistlichen Verrichtungen im Sprengel der Kirche zu übernehmen, und die Zehnten aller Neubruchsländer (novalia.)

Ums Jahr 1254 scheinen die meisten Kirchen in Wagrien zur Wirklichkeit gekommen zu seyn. Im Jahre 1286 umfaßte die Diöces des Bischoffs zu Lübeck bereits 49 Kirchen. Zu diesen gehörten die dr"ey der Probstey, Gickau, Hagen und Schönberg. Wann und von wem diese Kirchen erbaut sind, ist unbestimmt. Über die Kirche zu Schönberg ist eine wahrscheinliche Vermuthung. Im Dorfe Barsbeck hat sich die Sage erhalten, daß sie größtentheils von sechs Hüfnern dieses Dorfes erbaut worden sey. Allein dies ist wohl nur eine Verwechslung. Die Herren von Barsebeck, auf deren vormaligen Guthsländereyen jetzt sechs Hüfner ihre Felder haben, sind ihre wahrscheinlichen Stifter. Eine Gedächtnißtafel, die mit der alten Kirche im Jahre 1779 verbrannt ist, nach andern ohne Inschrift, abgebildet waren, und der Barsch statt des gewöhnlichen Wetterhahns als Windflügel auf die Spitze des Thurmes gestellt, beurkungen, wie sie ihr Andenken fortpflanzten, wenigstens ihre bedeutende Theilnahme am Bau der alten Kirche. Der gänzliche Mangel aller archivarischen Nachrichten bey dieser Kirche ist, wie in so mancher Hinsicht, so auch hier sehr zu bedauern. Daß den Herrn von Barsebeck, die hier ihre Höfe hatten, das Recht, eine Kirche zu bauen, verliehen seyn könne, ist nicht zweifelhaft. Die ersten, vom Erzbischoff Friedrich im Jahre 1106 herbeygerufnen niederländischen Kolonisten bekamen von ihm das Recht, Kirchen anzulegen.

Das Kloster Preetz scheint bald Gelegenheit gefunden zu haben, sich von der bischöflichen Gewalt zu eximieren. Es ward zwischen den Jahren 1212 und 1216 von Albert von Orlamünde gestiftet. Das Nähere liefert weiter unten die Beschreibung des Klosters Preetz.

Das Ufer der Probstey ist durch seine Lage Überschwemmungen ausgesetzt, und hat auch deren mehrere erfahren. Nur von einer sind kurze und unvollständige historische Zeugnisse vorhanden; aber desto mehr Sagen über den Untergang der Heide, welche man bald schlechtweg Heide oder Colberger Heide nenn. Was den letzteren Namen betrifft: so scheint er auf der Meyerschen Karte vom Nordertheil Wagriens von 1649, besonders, wenn man das etwas entfernter stehende Wort Reide damit verbunden und durch Rhede deuten darf, nicht Land am Gestade der Ostsee, sondern den Strich der Ostsee vom Ufer der Probstey an bis an die Küste von Oldenburg zu bedeuten; indeß kann immer ein Theil dieser Küste besonders den Namen Colberger Heide geführt haben, welches nicht unwahrscheinlich ist, da sich der Name Colberger Hof noch auf den Dorf-Feldern von Barsbeck erhalten hat.

Historisch gewiß ist, daß 1625 den 10ten Februar in der Probstey eine große Überschwemmung gewesen ist. Auf dem Bande des ältesten Kirchenbuchs steht kurz die Nachricht verzeichnet: Im Jahre 1625 bey der großen Wasserfluth ist die Heide untergegangen. Dasselbe ist in alten Bibeln und Hauspostillen zu finden. Von dieser Flut existiren eine Menge Volkssagen, welche theils eine sonderbare Ähnlichkeit mit denen haben, welche man vom Nordstrand erzählt, theils offenbar auf die damals herrschenden abergläubischen Vorstellungen von göttlichen Strafgerichten hindeuten. Höchstwahrscheinlich wurde damals eine sehr bedeutende Strecke des Ufers der Probstey ergriffen und mit demselben das Dorf auf der Heide, wie auch das adliche Guth, welches daselbst belegen war. Man glaubt, daß dieses Guth, welches die Sage Verwellenhoff nannte, dasselbe gewesen sey, welches bey Denckwart Butzholm heißt, da zwey Koppeln des Schönberger Feldes, welche nahe bey einander liegen, die eine Verwellenberg, die andre Holmershofskoppel genannt werden, und auf der erstern noch Spuren alter Gebäude zu finden sind. Längst der ganzen Küste sind bey niedrigem Wasser weithinaus in der Ostsee eine Menge Ziegelsteine, Dachpfannen, Steinpflaster und Stümpfe von Bäumen bemerkbar; auch soll der größte Theil der am Laboer Strande liegenden Wiese damals sich dort angesetzt haben. Als Besitzerin des untergegang'nen Guths auf der Heide nennt man die Frau von Verwellen. Von dieser Frau hat sich in der Probstey durchaus allgemein eine Erzählung erhalten, welche mit einer uralten griechischen Sage vom Ringe des Polykrates von Samos, deren Andenken Schiller in seinen Gedichten erneuert hat, ungemein viel Ähnlichkeit verräth. Die Tradition schildert sie im Besitz unermeßlicher Reichthümer und dabey äußerst übermüthig. So soll bey einer Spazierfahrt auf der See sie einen prächtigen Ring von sehr großem Werth weit in's Meer geworfen und dabey ihren Begleiter erklärt haben: so unmöglich es für sie sey, diesen Ring je wieder zu erhalten, so unmöglich sey es auch, daß sie verarme. Allein nach einiger Zeit soll ihre Köchinn ihr zu ihrem nicht geringen Schrecken den Ring gebracht haben, den sie im Bauche eines großen Dorsches gefunden habe, und nicht lange nachher die große Fluth erfolgt seyn, welche ihr ganzes Guth mit sich fotriß, und sie in die äußerste Dürftigkeit stürzte.

Nach dem alten Kirchenbuche war 1691 wieder eine große Überschwemmung. Das Wasser stand noch eine Elle höher, wie im Jahre 1625.

Von 1693 den 10ten Januar ist auf Fernen-Wisch eine Flut verzeichnet, die so bedeutend war, daß fast alle Kühe, Pferde, Schweine und Schafe ertranken. Das Wasser stand bis an den Balken im Hause. Die Frau des Hauses rettete sich mit ihrem Säugling auf der Malzdarre.

Überhaupt leidet das Land am Gestade der Ostsee sehr durch den Andrang des hohen Wassers bey Nordostwinde. Das hohe Uferland des Dorfers Stein verliert seit einigen Jahren ansehnlich, es wird vom andringenden Wasser unterminirt, und so stürzen ganze Stücken Landes herab. Auch in das Dorf selbst drang in frühern Zeiten das Wasser, so daß die Anlegung einer Schleuse nöthig befunden ward, welche aber jetzt durchaus verfallen ist. Eben so verlieren jährlich die salzen Wiesen bey Wenddorf und das Weideland ansehnlich und der ganze Strich salzer Wiesen am Gestade der Ostsee ist häufig Überschwemmungen unterworfen, welche besonders, wenn sie in der Zeit der Heuärndte eintreten, der Probstey äußerst nachtheilig sind. Am meisten leidet das Dorf Wisch, besonders einzelne Hufen, von deren Ländereyen ein großer Theil Fluthland ist. Zuweilen entsteht durch die Fluth beträchtlicher Schaden. Vor 22 Jahren, grade in der besten Heuärndte, entstand mitten in der Nacht eine so starke Fluth, daß alles Heu weggetrieben ward, und sehr viele Kühe und Schafe ertranken. Noch vor acht Jahren ertranken viele Schafe, und es vergeht fast kein Jahr, in dem nicht durch den starken Andrang des Wassers beym Nordostwinde Schade geschieht. Nicht selten sind bey einem solchen Sturme und der wilden Fluth hier Schiffe auf den Strad gerathen.

Der Sturm, der am 3ten und 4ten Sep. 1814 in der Ostsee herrschte, und der heftigste war, dessen die Jahrbücher seit 1675 erwähnen, äußerte auch seine nachtheilige Wirkungen für die Probstey, deren an der Küste beleg'ne Ländereyen eine Überschwemmung erlitten, die sowohl in Rücksicht auf ihren Umfang, als auf ihre Wirkungen zu der bedeutendsten gehört, denen diese Küste je ausgesetzt gewesen ist. Mehrere Ländereyen wurden überschwemmt, die man bisher nie dem Fluthlande der Probstey beizählte.

Um Schönberg herum waren nicht bloß alle Wiesen ganz überschwemmt, welche gewöhnlich theilweise der Fluth ausgesetzt sind, sondern auch mehreres Ackerland stad unter Wasser. Der Fußsteig nach dem Holm, selbst ein großer Theil des Fahrweges, mehrere Plugländereyen dieser Hufe, und andre Hufen der Warder, die Immenhorsten, die Koshagen, waren überschwemmt. Man schätzte das überschwemmte Land zwischen der Kuhbrücke und dem Stackendorfer Lande reichlich auf 1000 Tonnen.

An der Stackendorfer Küste ging das Wasser an mehreren Stellen über den hohen Strand. Zwischen der Scheide und der Stradkathe, wo ein hoher Strand über 32 Fuß breit ist, drang es so heftig durch den Strand, das der dahinter befindliche Grabenwall durchbrach.

Die ganze Gegend um das Dorf Wisch war eine Wasserfläche; das Wasser stand mitten im Dorfe, und an eineigen Häusern so hoch, daß es schon über die Schwelle zu treten im Begriff war.

Vom Barsbecker Lande waren mehr als 200 Tonnen überschwemmt, die nie vorher der Fluth ausgesetzt waren. Auch in das Dorf selbst drang das Wasser, und der Eintritt des salzen Wassers machte auf mehreren Hofstellen die Tränkstäten für das Vieh unbrauchbar.

Bey den Dörfern Wentdorf, Stein und Laboe erreichte das Wasser eine ganz ungewöhnliche Höhe.

So war diese Überschwemmung äußerst beträchtlich, sowohl durch ihren Umfang, wie durch den Schaden, den sie verursachte. Es ertranken an 200 Schafe und über 20 Stück Rindvieh. Mehreres Rindvieh war durch das lange Schwimmen theils erkrankt, theils sehr beschädigt. Hier würde der Schade um vieles größer geworden seyn, wenn die Fluth bey Nacht eingetreten wäre, und wenn nicht die kluge Entschlossenheit einzelner Eingesessenen der vorzüglich bedrohten Dörfer, die wirksamsten Rettungsmittel ergriffen, und mit Muth und unerwüdeter Thätigkeit durchgeführt hätten. Erst rettete das Vieh sich selbst auf die höchsten Plätze. Der Zufluchtsort ward aber bey der zunehmenden Fluth bald zu klein, und besonders vertrieb das Rindvieh die Schafe, welche dann bald von den Wellen mit fortgerissen wurden. Mit einem zu Wagen herbeygeführten Boot eilten nun einzelne entschloss'ne Männer zur Rettung des Viehes herbey. Ihre Versuche und Anstrengungen hatten den erwünschten Erfolg. Die Schafe wurden in's Boot aufgenommen, das Rindvieh mußte sich durch Schwimmen retten. Es scheint äußerst bemerkenswerth, wie das Vieh in solchen Fällen der Noth sein Verlangen nach dem Menschen, und sein Vertrauen auf ihn auf mannichfache Weise an den Tag legt. Es achtet auf jeden Wink, es folgt jedem Zuruf. Auf diese Weise wurde viel Vieh gerettet.

Auch wurde durch diese Überschwemmung vieles Ackerland für mehrere Jahre, als auch mehrere Brachkoppeln, wenigstens für ein Jahr unbrauchbar. Endlich aber wurden an mehreren Stellen kleinere und größere Stücke Landes abgerissen und weggetrieben. Das hohe Uferland zwischen Stein und Laboe ist von den anschlagenden Wellen so unterminirt, daß schon jetzt mehrere beträchtliche Stücke herabgestürzt sind, mehrere noch herabzustürzen drohen. Gränzen, Flächeninhalt und Volksmenge der Probstey

Die Probstey wird von der Ostsee und den adlichen Güthern, Schrevenborn, Hagen, Dobersdorf, Salzau, Neuhaus und Schmol begränzt.

Man behauptete lange, das Aral der ganzen Probstey betrage nur eine Quadratmeile; dann wäre die immer ausgezeichnet große Volksmenge auf einem so kleinen Flächeninhalt beyspiellos. Allein die ganze Probstey, der Barsbecker See mitgerechnet, hält 1 6946/10000 geographische Quadratmeile. Sie hält in allem 14871 Tonnen Landes, die Tonne zu 300 Quadrat-Ruthen gerechnet. Die holsteinische Tonne entspricht ungefähr dem deutschen Morgen Landes. Rechnen wir hievon die Wiesen ab, die geöhnlich von Überschwemmung leiden, so wie das Holz und das schlechte Land auf der Colberger Heide – nebst dem Belauf des Inhalts der Plomen, Dörfer, Wege, so bleiben ungefähr 11500 Tonnen Landes, welche die Probstey an gutem urbaren Ackerlande besitzt.

Die Volksmenge der Probstey beträgt jetzt ungefähr 6000 Seelen. Jedes Jahr scheint diese Zahl sich zu vermehren. So zeichnet sie sich also durch die Menge ihrer Bewohner schon vortheilhaft aus, und schließt sich an die bevölkertsten Districte Europa's ehrenvoll an: ein erfreulicher, aber auch Aufmerksamkeit verdienender Beweis, welch' ein Segen für den Staat, freie, und grade durch Freyheit sich immer vervollkommende Kultur des Landes sey. Und, wenn man vollends noch bedenkt, daß von dem ganzen Areal der Probstey an 4000 Tonnen Fluthland, d.h. jährlich der Überschwemmung ausgesetztes, mithin durchaus unbewohnbares Land, sind: so erscheint die Volksmenge dieses kleinen Districts erst in ihrer wahren Gestalt, und man muß erstaunen, auf welchen kleinen Platz diese große Menge thätiger, und besonders in Rücksicht auf Landkultur indüstriöser Menschen zusammengedrängt ist. Zwar scheint jetzt, nach dem Drucke der Kriegsjahre die Probstey an einer Überbevölkerung zu leiden. Die große Classe der Insten ist ohne Arbeit und kämpft mit Nahrungssorgen. Doch läßt die Aufmerksamkeit der Obern, der biedere Sinn der begüterten Probsteier und die Wiederkehr der bessern Zeit mit Zuversicht hoffen, daß die jetzige drückende Lage dieser Classe bald ein milderes Ansehen gewinnen werde.

Nähere Beschreibung des Bemerkungswerthen der einzelnen Dörfer der Probstey

Kirchspiel Schönberg

Schönberg

Das Kirchdorf Schönberg zeichnet sich sowohl durch die für ein Dorf gewiß seltne Anzahl seiner Bewohner, als durch die Menge der, zum Theil städischen Gewerbe aus, welche in demselben betrieben werden. Die Zahl der Haushaltungen ist 260. Die Volksmenge hat immer zugenommen, und kömmt der Menge der Bewohner der Stadt Lütjenburg gleich – sie beträgt über 1200. Außer den beiden Predigern wohnen hier der Official der klösterlichen Obrigkeit unter dem Carakter Kloster-Vogt[1] und zwey Ärzte. Es sind hier über 300 schulfähige Kinder, von denen 130 bis 140 in der Hauptschule des Organisten, Herrn B\dots unterrichtet werden, dessen ausgezeichnete Verdienste als Schulmann anerkannt sind. An 150 – 160 Kinder werden ferner in der Elementar-Schule und 15 – 20 in der für die ausgebauten Hufen errichteten Nebenschule unterrichtet. Eine nicht unbedeutende Ellenhandlung und drey Krämer verschaffen den hiesigen Einwohnern die Bequemlichkeit, die Bedürfnisse ihrer Haushaltungen an Ort und Stelle haben zu können. Auch ist hier eine klößterliche Winmühle. An Künstlern sind hier ein Uhrmachen und zwey Goldschmiede; sonst aber auch alle Arten von Handwerkern vorhanden. Auch trifft man hier vier privilegirte Wirthshäuser an, die aber, sowohl in Hinsicht der Schönheit als Bequemlichkeit, manches für den Fremden zu wünschen übrig lassen. Schönberg hat zwey Jahrmärckte, eins am Montage in der vollen Woche nach Ostern, das andere am Dienstage nach dem ersten Adventssonntage, an denen Kaufleute aus Eutin, Kiel, Plön und Preetz sich einfinden. Der Boden Schöbergs scheint zu dem schweren Lande der Probstey zu gehören, und das Land im sogenannten Holze kaltgründig zu seyn. Die mit Sorgfalt abgeründeten, mit Fleiß begrabenen langen Äcker mit ihren größtentheils gut unterhaltenen, zum Theil trefflich gediehenen Einfassungen, die in den niedrigen Gegenden meistens von Erlen sind, geben, wenn sie mit ihren üppigen Saaten prangen, den Anblick eines prachtvollen Gartens, auf dem das Auge nie ohne Wohlgefallen ruht. U/nd besonders gewähren die Nähe der Ostsee, wie der Schatz von treflichen Wiesen, der Gegend um Schönberg ganz eigenthüliche Reize. Der Weg durch diese, von mehreren Auen durchschnittenen, und durch vielfache Erlenpflanzungen, welche die Gränze der verschiedenen Besitzer ausmachen, anmuthige Wiesen über den Holm zum Gestade der Ostsee ist äußerst romantisch. Schon der Gang über diesen sanften, grünen, schön beblümten Rasen, in der Nähe des Holms auf einem Berge unerwartet die Aussicht in's Unermeßliche, und zuletzt das Gestade der Ostsee! Bey stillem Wetter diese Spiegelfläche mit der wunderbarsten Farbenmischung, der unbegränzten Aussicht, und noch majestätischer im Sturme! Das bewegte Element dies Tosen der Wogen, dieser Blick in's Unermeßliche! Der Geist wird von Staunen und Bewunderung ergriffen, das Herz fühlt die Grö"e des Schöpfers, der dem Meere seine Ufer anwies, und ihm allmächtig gebot: hier sollen sich legen deine stolzen Wellen! Im Anschauen des Unendlichen empfindet man sein Richts und Seine Unendlichkeit! –

Im beyfolgenden Titelkupfer habe ich es versucht, dem Leser selbst einen anschaulichen Begriff von der Schönheit dieses ländlichen Gemäldes zu geben. Ich habe die Ansicht vom Steinbecksberge aus, eine Vierterstunde vor Schönberg, aufgenommen. Über die Saatfelder, die grünenden Wiesen, die weidenden Heerden und das Treiben der Schnitter trifft der Blick auf Schönberg, in seiner ganzen Länge. Unter den mit Stroh gedeckten Bauernwohnungen blicken hin und wieder schon städtisch aufgeführte, mit Ziegeln gedeckte Häuser hervor. Die schöne Kirche, die auf einer Anhöhe liegt, überragt die übrige Gegend. Links in einer nicht bedeutenden, bemerkbaren Ferne hinter derselben, liegt das Hauptpastorat, dessen Dach aus der Mitte zweyer dichter Laubgebüsche schimmert. Zwey hoch emporgeschossene Pappeln, die selbst von dem Schiffer aus der See bemerkt werden, bezeichnen schon in weiter Entfernung seine Lage. Im Hintergrunde endlich schaut man den Rand des unendlichen Meers mit der himmelblauen, nur der Ostsee eignen, Farbe. Auf der Höhe des Meeres ist ein weißes Segel sichtbar. Die Schönberger Hölzung ist bis auf die kleinste Spur verschwunden. Doch gedeiht eine klösterliche Eichenpflanzung bey Neu-Schönberg, dem Ansehen nach, recht gut. Einige Hufner besitzen Erlenbrüche, und fast alle gewinnen von den Zäunen um ihre Äcker und Wiesen das nöthige Brennmateriale. Man hat Versuche gemacht, in einzelnen Moorwiesen Torf zu graben, von denen man sich in Zukunft vielleicht guten Erfolg versprechen darf.

Schönberg hat mehreremale durch Feuer gelitten. Am meisten und furchtbarsten aber im Jahre 1779. Zuerst brannten in der Nacht von 14ten auf den 15ten Mey neun Gebäude ab; dann wurde in der Nacht vom 2ten auf den 3ten August in wenigen Stunden fast der ganze Ort ein Raub der Flammen. Die Kirche, die Predigerhäuser, die Schulen, weit über hundert Gebäude lagen in Asche, und zwey bejahrte Personen verloren im Feuer ihr Leben. Nach einer Inschrift über der Hausthüre des alten Pastorats war dasselbe vorher schon zweymal, nähmlich 1618 und 1688, abgebrannt. Im Herbste 1818 brannten die meisten Wohnungen auf dem sogenannten Damm ab, die bei jener großen Feuersbrunst stehen blieben. So ist also Schönberg neu aus der Asche entstanden. Denn auch die zuletzt verödeten Häuser, in deren Trümmer eine achtungswerthe Bauersfrau ihr Leben verlor, werden schon jetzt neu aufgebaut; mehrere sind bereits wieder bewohnt – denn wie Schiller sagt: »Gar bald erstehn die leichten Hütten wieder.«

Die Kirche wurde unter der Direction des Landbaumeisters Richter in den Jahren 1780 bis 82 wieder aufgebaut. Sie ist etwas zu groß, allein in einem einfachen, edlen und der Würde der Gottesverehrung sehr angemeßnen Styl erbaut. Schade nur, daß gleich nach der Vollendung des Baues zur Unterstützung des Gewölbes Querbalken nothwendig gefunden wurden, die bald wieder weggenommen werden sollten, aber jetzt schon dreyßig Jahre die sonst so schöne Kirche verunstalten. Die feierliche Einweihung geschah am 17ten Sonntage nach Trinitatis, den 22sten Sept. 1782 durch den General-Superintendenten Hasselmann. Das Gemälde über der Kanzel, eine gelungne Kopie der Kreuzigung Christi nach dem Gemälde in der Schloßkirche zu Kiel, ist sehenswerth. Aus dem Alterthum befindet sich hier ein silberner, vergoldeter Kelch von ciselirter Arbeit. Am Fuße sind folgende Figuren:

1)
Eine Mutter Gottes mit dem Kinde
2–4)
Die Weisen aus dem Morgenlande
5)
Ein Ritter St. Georg
6)
Der heilige Laurentius mit Palmenzweigen.

Unter dem Fuße ist eine silberne Platte mit folgender Mönchsschrift:

Istum † calicem † cum † altari † procuraverunt † Dominus † Hinricus † Blomenberch † Rector † Marquardus † Stoltenberch † et † Henneke † Junge † Jurati † ex † eleemosynis † in † honorem † corporis † Christi † Anne † Domini † M † CCCC † LXIII †. »Diesen Kelch mit dem Altar haben verschaff Herr Heinrich Blomenberg, Rector, Marquard Stoltenberg und Heneke Junge, Juraten, von Allmosen, zur Ehre des Leibes Christi, im Jahre 1463.«

Der Gottestdienst selbst ist feierlich und herzerhebend. Ein schöner Kirchengesang mit Begleitung der Orgel, eine volle Kirche, tiefe Stille und der ergreifende Vortrag des Predigers bewirken hier wahrhaft christliche Erbauung.

Unangenehm überrascht den Fremden aber das störende Aufbrechen während des letzten Gesanges nach der Predigt. Vergebens hat der würdige Pastor Schmidt wegen dieser, nicht sowohl Unart, als Gewohnheit, die zum Theil ihren Grund darin hat, daß die Frauen zum Bereiten des Mittags nach Hause eilen müssen, herzliche Ermahnungen ergehen lassen; sie haben aber nur für eine Zeitlang diese Störung verhindert.

Der Kirchhof ist ein einfacher Rasen; jedes Dorf hat seinen bestimmten Platz auf demselben. Für die zahlreiche Gemeinde scheint der Kirchhof nicht groß genug zu seyn: wenigstens wird so der Übelstand erklärbar, daß nicht die geringste äußere Zierde statt findet, daß selten oder fast nie ein Kreuz, eine Erhöhung, ein Stein das Grab der Lieben bezeichnet. Wirklich ist diese meine Ansicht die richtige gewesen, weil, wie ich erst jetzt erfahren habe, wegen der zu frühen Zerstörung der Instengräber, der Kirche von dem gegenwärtigen Hauptprediger ein angränzendes Stück von den Privatländereien zur Vergrößerung des Kirchhofs gegen einen jährlichen Canon, mit Bewilligung des Patronats und des königl. Ober-Consistoriums, überlassen ist.

Nahe vor der Thüre des Kirchthurmes, von wo das Auge eine herrliche Aussicht nach dem Erlenbruch, einem Theil von Schönberg und auf die fernen Dörfer hat, ist ein ausgemauertes Grab, in welchem die Hülle eines lieblichen Kindes, des Herrn Grafen E…, ruht. Um die Seinen den Kriegsunruhen in Preußen, wo sich der Graf als Gesandter des dänischen Hofes aufhielt, zu entziehen, sandte er sie zu seinen Freunden nach Schönberg, der biedern und schätzten Familie W..., und hier brach die schöne Blüthe der Tod. –

Fern von der Heimath, von der Welt geschieden
Schläft hier in kühler Gruft das zarte Kind!
O, störet nicht der frommen Unschuld Frieden
Ihr Abendlüfte, wehet sanft und lind'!
Des schönen Engels früh gesprengte Hülle
Sey hold gebettet in des Grabes Stille. –

Auch ruhen auf dem hiesigen Krichhofe die Leichen zweier im Sommer 1808 in einem Angriff auf eine englische Brigg an der hiesigen Küste gefall'ne Vaterlandsvertheidiger, des Herrn Carl von Reckelmann und des Canoniers Andreas Janssen aus Pellworm, welche mit einer sehr rührenden, theils militairischen, theils kirchlichen Todtenfeier in ihren mit Eichenkränyen und Blumen-Guirlanden geschmückten Särgen zur Erde bestattet wurden.

Wer Schönberg besucht, dem ist auch das Hinaufsteigen auf den Thurm der Kirche anzuempfehlen. Ermüdet der Fuß durch die Menge der Stufen, so wird doch Aug' und Herz erquickt, durch die herrliche, weite Aussicht von der Höhe des Thurms, die mit einem Geländer eingefaßt ist. Das Auge übersieht ganz Schönberg und die zunächstliegenden Dörfer der Probstey; das schönste Panorama entfaltet sich vor seinen Blicken. Bis zur fernen Schmoler Gränze ist das grüne, üppige Land von dem Saume der wogenden Ostsee eingefaßt. In's Unermeßliche verliert sich das Auge – bey äußerst günstiger Witterung sah man sogar die weißen Schlösser auf Laaland. Der Eingang vom Kieler Hafen, und das gegenseitige Ufer von Bülck liegen links. Im Vordergrunde das Dorf Schönberg mit seiner städtischen Hauptstraße – seinen Feldern und Wiesen, dem Erlenbruch und den Gärten der beyden Prediger.

Hünf Halbhufner baueten nach dem Brande ihre Häuser auf ihre entlegenen Ländereyen aus, us so bildete sich Neu-Schönberg. Eben so die Drittelhufe, welche den Namen von ihrem Lande: Holm führt. Dieser Name bedeutet bey den Schriftstellern bald eine Insel, bald einen erhabenern Ort. Hier wird er in der letzten Bedeutung gebraucht, da diese Stelle sich bedeutend über die angränzenden salzen Wiesen erhebt. Eine liebliche Landstelle, in ökonomischer Hinsicht sehr gut bearbeitet, und durch Anpflanzungen gegen die rauhen Seewinde geschützt. Die angränzenden salzen Wiese geben ihr in der Zeit der Heuärndte, welche in dieser Gegend, da die Dörfer aller Kirchspiele hier ihre Wiesen haben, ein ordentliches Fest ist, durch die wogende Regsamkeit der jungen Leute aus allen Dörfern ein eignes Interesse. Daß sie auch begeistern könne, beweist nachstehendes kleine Gedicht:

Unfern vom Ostseestrande,
Wo stolz die Woge schlägt,
Steht freundlich eine Hütte,
In grüner Wiesen Mitte,
Von Büschen rings umhegt.
Daneben dunkeln Tannen,
Im Zeitensturm ergraut,
Ihr ewig – finstres Schweigen
Dünkt mich so ernst eigen,
So heimlich und vertraut.
Oft in des Tages Stunden
Zog Sehnsucht leis' micht fort,
Und führt, aus dem Gewühle,
Mich in die Schattenkühle,
Zum stillen Friedensport.
Da tönt meine Leier
Der herrlichen Natur,
In Blüthen, Farben, Tönen
Fand ich des Lebens schönen
Unendlich reiche Spur.
Sey, Örtchen, mir gefeiert,
Gegrüßt auf immerdar –
Mich treibt das Schicksal weiter –
Du blühe still und heiter,
Wo ich so glücklich war.
Julius A.…

Stackendorf

Stackendorf ist das Gränzdorf der Probstey an der Schmoler Scheide. Es hat noch ein Überbleibsel seiner Verbindung mit dem Bisthum Lübeck; eine Gegend des Dorfes heißt das lübische Thor, vermuthlich, weil von hier der Weg nach dem auf den Meyerschen Charten ganz dichte bey Stackendorf belegenen jetzt lange nicht mehr existierenden, lübischen Dorfe Schallikendorf ging.

Am Stackendorfer Strande ist eine Fischerkathe mit drey Wohnungen, deren Besitzer alle Fischerey treiben. Sei wohnen allein am wogenden Meer; ein tiefer Schnee kann sie oft wochenlang von den Übrigen trennen, und gleichsam in der Öde begraben.

Krumbeck

Krumbek hat seinen Namen wohl von einem kleinen Bache, der das ganze Dorf in verschlungenen Krümmungen durchfließt, so wie Höhndorf von der Höhe, auf welches es liegt. Gödersdorf, das letzte Probsteyer-Dorf nach der Preetzer Seite, wird Gährsdorf ausgesprochen und in alten Urkunden Godeverdestorf genannt.

Fiefbergen

Fiefbergen kann seinen Namen vielleicht von fünf das Dorf umgebenden Hügeln haben, auf denen vormals Opferaltäre oder Grabhügel waren. Die Gegend um Fiefbergen scheint ehemals sehr holzreich gewesen zu seyn. Es haben sich hier mehrere Namen von Hölzungen erhalten, die alle bis auf die letzte Spur vertilgt sind; auch die schon angeführte Bemerkung, daß man in mehrern Mergelgruben, wie in Moorwiesen, Eichen schichtweise über einander gelagert fand, beweiset die Existenz vormaliger großer Waldungen. Ein jetzt bebauter Platz im Dorfe führt den Namen Kuhberg, einer Sage nach, deswegen, weil alles Vieh des Dorfes von der Weise des Nachts auf diesen Platz zusammengetrieben wurde, um vor den Wölfen gesichter zu seyn, die in den benachten Waldungen hauseten.

Barsbeck

Barsbeck bestand aus mehreren kleinen Höfen und scheint aus sehr verschiedenartigen Theilen in seine jetzige Form gebracht. In keinem Dorfe der Probstey finden sich so viele Spuren wendischer Alterthümer, die vielleicht noch künftig, genauer untersucht, dem Freunde vaterländischer Alterthümer manche interessante Entdeckung liefern könnten. Barsbeck hat einen Reichthum an Wiesen. Einige sind vom Wege aus sichtbar, und haben durch die schönen Erlenfassungen, welche immer die Gränze der verschiedenen Besitzer bilden, ein äußerst gefälliges Ansehen. Die Wiesen des sogenannten Salzbodens, die bey Wenddorf näher beschrieben werden sollen, werden gewöhnlich früher gemäht, um dann als Weide benutzt zu werden. Hier fängt nun auf diesem Kirchspiel - denn der eigentliche Anfang ist bey Wenddorf - die große Reihe salziger Wiesen an, an welcher fast alle Dörfer der Probstey, einige mehr, andere minder, Antheil haben, und von denen ein bedeutender Theil der Ueberschwemmung beym Nordostwinde ausgesetzt ist. Die mancherley hieraus entstehenden, bedeutenden Nachtheile, indem oft sehr viel Heu verloren ging, oft mehreres Vieh ertrank, bey den Weiden beständig Verlegenheit um frisches Wasser eintrat, und mehrere große, sonst zum Pflügen taugliche Landstrecken wegen der Ueberschwemmung nicht gehörig benutzt werden konnten, veranlaßten schon wiederholt bey denkenden Landwirten die Frage: Ob diese große Landstrecke nicht durch Eindeichung der Ueberschwemmung zu entziehen wären. Im Jahr 1802 wurde eine Local-Untersuchung von Sachverständigen aus Dithmarschen veranstaltet. Der Damm würde eine Strecke von 234 Hosteinischen Ruthen oder 1570 Dänischen Ellen erfordert haben. Jedoch, da der Gewinn für die einzelnen Dörfer so höchst verschieden ist,hat bisher noch keine Vereinigung über die Repartition der Kosten auf gütliche Weise stattgefunden.

Crocau

soll seinen Namen von zwey Auen haben, die sich hinter dem Dorfe vereinigen, deren eine aus Osten, die andere aus Süden kommt, und welche da, wo sie zusammenfließen, die Form einer Krücke bilden. Es hat zum Theil sehr schweren Boden. Die Hufner besitzen ein recht hübsches Gebüsch, Sommerhofbusch genannt, und haben vor einigen Jahren, um es besser schützen zu können, eine Kathe in demselben erbaut, welche ein Aufseher über das Gebüsch bewohnt. Seitdem gewinnt es durch Anpflanzungen aller Art jährlich ungemein. Auch hier soll ehemals ein adelicher Hof gewesen seyn. Es sind unverkennbare Spuren eines vormaligen Wall- oder Burggrabens, und in demselben eingemauerte Pfähle mit eisernen Klammern, auch mehrere zum Theil unkenntliche Ueberbleibsel alter Hausgeräthe und ein Frauenschuh von äußerst spitzer Form beym Graben gefunden worden.

Wisch

steht hinter allen Dörfern der Probstey an Güte des Bodens zurück. Ein Theil der Dorfländereyen ist leichter Sand, ein anderer Theil niedriges, kaltes, feuchtes Land, und einiges gar Fluthland. Nur sehr einzelne Aecker gleichen der übrigen Probstey, auch gewinnen die Sandfelder allmählig durch die Mergelung. Durch die Einkopplung und Aufhebung der Gemeinweide hat sich der Wohlstand der vielen Käthner dieses Dorfes sehr gehoben.

Zu diesem Dorfe gehörig, aber etwas von ihm entfernt, liegt eine einzelne Hufe, Fernwisch genannt, eine durch ihre ganze Lage und in so mancher Hinsicht ganz eigene, bemerkenswerthe Besitzung. Sie liegt an dieser fast unübersehbarer Wiesenfläche, ist bey Ueberschwemmungen oft ganz umflossen, im Winter zuweilen selbst von dem Dorfe Wisch abgeschnitten, und hat mehreremal bey Ueberschwemmungen gelitten. Das Haus liegt deswegen etwas erhöht, und gewährt, von vielen Bäumen umpflanzt, in dieser sonst kahlen Wiesenfläche einen reizenden Anblick. In einem Balken des alten Hauses soll eine größere Inschrift gewesen seyn, von der aber, da dieser Balken verstümmelt ist, nur die Worte herauszubringen sind: Anno Domini 1514, und zwar die Jahreszahl, nach Herrn Pastor Dörfers Bemerkung, in einem gothischen Siglem, wie die Diplomatiker es nennen. Der erste protestantische Hauptprediger in Schönberg war von dieser Stelle, und es ist sehr merkwürdig, daß dieseselbe Familie Stoltenberg in ununterbrochenen Besitz dieser Hufe geblieben ist. Auf der Höhe hat der Besitzer ein Haus erbaut, in welchem der in seinem Dienst stehende Haidhirte wohnt, und bey dem das Vieh des Abends in Hürden zusammen getrieben wird, theils um gegen plötzlich eintretende Fluth gesichert zu seyn, theils um auch Dünger zu machen. In vorigen Zeiten zog der Haidhirte gegen Winter in's Dorf Wisch, und ließ seine Wohnung leer stehen, seit einigen Jahren überwintert er aber mit seiner Familie, und es können oft mehrere Wochen vergehen, daß er, da die ganze Gegend überschwemmt ist, durchaus isoliert, von aller menschlichen Verbindung abgeschnitten, auf seinen häuslichen Kreis beschränkt lebt. Die ganze Gegend gewährt, besonders um die Zeit der Heuärndte, einen ganz eigenen Anblick. Eine Fläche, ganz ohne alle Umzäunungen, bloß durch Gräben durchschnitten, welche die Einfriedigung der einzelnen Wiesen ausmachen. Da sieht man hier Kühe und Pferde grasen, da mähen, hier aufs Heu arbeiten, dort Heu fahren, und es scheint, als ob alles auf derselben Stelle geschehe, und oben herauf, jenseits der großen Aue gegen das Gestade der Ostsee, wird die Gegend wild romantisch. Auch halten sich hier beständig eine Menge Seevögel auf.

Kirchspiel Probsteier - Hagen

Kirchdorf Probsteier - Hagen

Hagen ward bey den alten Deutschen ein zum gottesdienstlichen, auch gerichtlichen Gebrauch abgesonderter und eingezäunter Wald oder offener Platz genannt. Der ältere Name Kercenhagen ist nicht, wie einige glauben, soviel als Karkenhagen, zum Unterschied vom Gute Hagen, sondern von der Au abzuleiten, welche die Gränze zwischen der Probstey und dem Guthe Hagen ausmacht, und bey alten Schriftstellern Kerkenitz heißt. Woher dieser Name, ist ungewiß. Es ist zu vermuten, daß die Au ihn erhielt, weil sie zum Ausfluß des Wassers, wie von der Hagener Mühle, so auch von dem großen Fischteich Kasse, vielleicht früher eigentlich Karste, oder Kerce genannt, dient. Bey Dankwerth heißt das Kirchdorf einmal Karstenhagendorf. Es wird jetzt Probsteier - Hagen genannt, zum Unterschied von Elmschen - Hagen und Dänischen - Hagen; auch Probst - Hagen, welches so viel heißt, als: es gehört zur Gerichtsbarkeit der Probstey Preetz.

Das Gut heißt nicht Probsteier - Hagen , sondern Hagen schlecht weg, und das Klostergebiet endet grade mit dem Kirchdorf. Die Au gehört zu dem Guthe Hagen. Die jetzige Brücke über die Au, welche jetzt von Fußgängern beständig und im Winter beym Eisgange von Fahrenden benutzt wird, existierte in früheren Zeiten nicht, sondern es waren bloß Stege für Fußgänger.

Zu der Kirche in Probsteier - Hagen sind, außer den benannten Dörfern der Probstey, auch das ganze Guth Hagen und der Meiereihof des Guthes Dobersdorf, Wulfsdorf, mit eingepfarret.

Hagen liegt sehr romantisch. Das alte Schloß des Herrn von Blome verbreitete ehemals durch seine Bewohner viel Leben in diesem Orte, wovon noch die drey, zum Theil schönen Gasthäuser zeugen. Ein naher Lustwald gewährt manche reizende Parthie, besonders die Aussicht über die Kasse, einen ausgetrockneten Fischteich, früher einer der größten Holsteins. Die Aue, die in vielfachen Krümmungen den Wald durchschneidet, giebt der Gegend eine reizende Mannigfaltigkeit. Die Anlagen im Lustgehölze, wie um das alte Schloß, sind jetzt sehr verfallen; von den Vogelhäusern und Orangerien, den Brücken, Bänken, Lauben, Springbrunnen und Irrgärten, sind wenige Überbleibsel, die an eine schöne Zeit mahnen, wo Kunst und Natur verschwistert waren. Die dunklen Tannen in der Mitte des Gehölzes contrastieren mit dem frischen Laubgehölze. Ein Husar hat diesen Platz erwählt, sein Roß und sich zu erschießen - ein leichter Rasen deckt beide. -

Viele Namenszüge und Zeichen an den alten, hochstämmigen Buchen, den schönsten Holsteins, deuten auf die glücklichen Tage derer, die hier gastfreundliche Aufnahme, Vergnügen und Freunde fanden. Ein Platz unter Bäumen, wo früher an jedem Sonntag Abend, bey schöner, kriegerischer Musik und schöner Erleuchtung, die durch das Laub schimmerte, getanzt wurde, steht jetzt verödet. Von den fröhlichen Füßchen und Füßen, die hier jugendlich schwebten, bewegen sich viele nicht mehr! Selten wird jetzt der anmutige Hain, und von manchen unter den wenigen mit wehmüthiger Rückerinnerung besucht.

Die Kirche ist alt und unbezweifelt lübischen Ursprungs. Der Altar ist alt und ehrwürdig. Die Stucktatur-Arbeit der Halle von einem italienischen Meister verfertigt, ist sehr schön und geschmackvoll ausgeführt. Auch in dieser Kirche ist noch ein Andenken aus dem Alterthum, nämlich die Taufe. Sie hat die Form einer umgekehrten Glocke, ist auch von Metall und hat am Rande folgende ächte Mönchsschrift: Ich bin gheghoten an Sunte katerinen ere, do her johann Kiemer was to den Kertsenhagen Keerkhere. Anno dui MCCCC jun. »Ich bin gegossen zur heil'gen Katharina Ehr' Da Herr Johann Kiemer war zu Kerstenhagen Kirchherr. Im Jahre Christi 1400, im Juny.« 

Das Familienbegräbnis der von Blome ist sehenswerth; alte steinerne und kupferne Särge, mit Wappen und Inschriften geziert. Die neuern sind leichter gebaut und weniger kostbar. Die letzte Besitzthümerin von Hagen hat das Todtengewölbe gescheut - sie liegt vom Dorfe entfernt auf einem Hügel, unter einem alten Baum begraben, der ihr lieb und werth war.

Die Predigerwohnung ist neu und freundlich. Der verdiente Pastor Mau lebt hier seinem Amte und seiner Familie mit der Treue und Gewissenhaft eines Geistlichen. Der Garten liegt an der Aue - gegenüber eine sanfte Anhöhe.

Siebzehn glückliche Jahre hat mein würdiger Freund, der Herr Pastor Schmidt, in dieser Gemeinde verlebt. Das Andenken an seine Wirksamkeit, seine Verdienste um die Schulen und die Armenanstalt, seine Verbreitung der Vaccination über seine ganze Gemeinde, welche dadurch der erste District in Holstein war, wo sie ganz allgemein eingeführt wurde, blühen in Segen und werden ewig unvergeßlich seyn! Er verließ Hagen, weil heilige Pflichten es ihm geboten, er verließ es, ohne in seinen Gräbern Ueberreste hingeschied'ner Mitglieder seines Hauses zu hinterlassen - »er zählt' das Häuflein seiner Lieben, und Heil! ihm fehlt kein theures Haup.«

Der Kirchhof ist ohne Zierde und zu klein für die zahlreiche Gemeine; nicht einmal halb versunkene Leichensteine zeigen die Gruft an, wo die Hülle guter Menschen ruhte - und doch sollte jedes Grab ein Altar frommer Entschließungen und Betrachtungen für die Nachwelt seyn. Wenn aber jährlich, wie hier geschieht, das Gras auf dem Kirchhofe zu Gunsten des Küsters gemäht wird, so hindern freilich alle äußern Zierden.

Längs der Aue geht ein wahrhaft romantischer Fußpfad durch die Felder, Wiesen und Gebüsche, nach dem zu Hagen gehörigen Meierhofe, Freienfelde, das den Namen in der That führt. Die Aussicht von einem Hügel in der Nähe auf Schönberg und das Meer ist weit und groß.

Fahren

- scheint eins der Probstei-Dörfer zu seyn, deren Ländereyen erst sehr spät urbar gemacht worden sind. Die ganze Gegend scheint Holz und Sumpf gewesen zu seyn, und seine frühern Bewohner sich mehr von der Fischerey und vom Kohlenbrennen, als vom Ackerbau genährt zu haben. Man kennt die Hufen noch genau, die aus Fischerkathen entsprungen sind, man bezeichnet noch die Stellen sehr bestimmt, wo Kohlen gebrannt wurden, wo Wolfsgruben waren, und mehrere alte Sagen über die frühere Geschichte dieses Dorfes werden mit einer Umständlichkeit und Uebereinstimmung erzählt, die keinen gegründeten Zweifel an ihre Glaubwürdigkeit statt finden lassen. Die Lage am See giebt diesem Dorfe manche Reize, einzelnen Hufen eine romantische Lage, und der Bauervogtshufe einen reichen Gewinn aus einer sehr beträchtlichen Rethwindung, welche bey einer Wiese hinter dem Hause beginnt, und bis an die Passader Scheide geht.

Passade

- ist durch seine Lage an einem schönen, fischreichen See sehr angenehm. Danckwarth giebt den Umfang dieses See's in der größern Breite auf 300, der Länge nach bis Dobersdorf auf 860, und die andre Länge auch auf 860 Ruthen an, und leitet den Ursprung der Hagener Aue aus dem Dobersdorfer See ab, die bey Wulfsdorf wieder ausfließe. Ersteres ist wohl sehr willkührlich angenommen, da letzeres im Gegentheil gewiß ist. Der See gehört dem Kloster Preetz, dem Guthe Dobersdorf und dem Guthe Salzau. Die vorzüglichsten Arten von Fischen, die in demselben gefangen werden, sind: Sandarten, Barsche, Hechte und Brachse, zuweilen auch Seekarpfen, doch ist die Winterfischerey bedeutender, als die im Sommer.

Prasdorf

- läßt vermuthen, daß der Name dieses Dorfes so viel als Probsten-Dorf bedeute, welches schon die alte Schreibart Prawestestorp wahrscheinlich macht.

Lutterbeck

- soll seinen Namen von gewissen, in mehreren Gegenden daselbst befindlichen Weiden, unter der Benennung Luttern bemerkt, führen, mithin könnte man den Namen dieses Dorfes durch Bach und Weiden bepflanzt erklären; allein er kann auch seinen Namen vom Probsten Lüder oder Lothar haben. Es hat eine historische Celebritaet, da es mehrere Jahre hindurch Sitz des Klosters war. Auch hat es eine klösterliche Wind- und Wassermühle.

Brodersdorf

- liegt sowohl an der Gränze des Guthes Hagen, als des Guthes Schrevenborn. Einige Hufen diese Dorfs sind vorzüglich groß, und haben sehr schweren Boden.

Laboe

- hat eine sehr angenehme Lage am Kieler Hafen, und auf den Anhöhen am Strande sehr reizende Aussichten. Man sieht die Festung Friedrichsort, die Packhäuser an der Mündung des Kanals, selbst Kiel, und auf der andern Seite das jenseitige Gestade und das freie Meer. Die Fischerkathen liegen sehr romantisch, terrassenförmig am Gestade, und in dem höher liegenden Dorfe gewährt in Friedenszeiten die Menge aus- und einsegelnder Schiffe einen sehr interessanten Anblick. Die Beschützung des Hafens machte die Anlegung einer Batterie auf dem Laboer Felde, Friedrichsort gegen über, nothwendig, deren Besatzung den Sommer über in Erdhütten kampirt.

Die Fischer, deren hauptsächlichster Fang in Seebütten, Dorschen und Makrelen besteht - letztere, vordem so häufig, sind in den letzten Jahrzehenden hier eine Seltenheit geworden - führen diese theils nach Kiel, theils verkaufen sie solche in hiesiger Gegend, theils, und besonders die Dorsche im Herbst und Winter, in Hamburg. Sie verfahren auch, in Friedenszeiten, Getraide und Obst nach Flensburg und weiter, und dienen eingehenden fremden Schiffen, auf ihr Verlangen, als Lootsen. Für die Verpflichtung, den Strand fleißig zu beobachten, und besonders Strandungsfälle der klösterlichen Obrigkeit sogleich anzuzeigen, sind die Dorfeingesessenen von mehreren öffentlichen Arbeiten eximirt und befreit.

Das Dorf wurde 1674, nach einer auf den Dorffeldern vorgefallenen Schlacht, ganz in Brand gesteckt, und nur zwey Häuser blieben verschont. Auf der Bettstellenthür in dem einen Hause ist noch der Nameszug zu sehen, den der feindliche General mit der Jahrszahl 1674 eigenhändig eingeschnitten haben soll. Vor ungefähr 36 Jahren wurden auf dem Kirchkamp, auf einem Platz, Rütersoll genannt, wo jene Schlacht vorgefallen seyn soll, beym Mergelgraben mehr als funfzig Scelette über und neben einander gefunden, und 300 Schritte weiter kam man auf eine ähnliche Todtengrube, die man aber nicht näher untersuchte. In der ersten wurden auch ein alter Flintenlauf, alte Handschuhe und einige Münzen gefunden, auf denen man undeutlich eine männliche Figur mit einem Spieße in der Hand unterscheidet.

Laboe ist wiederholt von ansteckenden Krankheiten heimgesucht worden. Im Jahre 1711 im November brach daselbst eine pestartige Krankheit aus, an der in wenigen Tagen zwey Häuser fast ganz ausstarben. Das Dorf ward durch Militair gesperrrt, und der Prediger zu Hagen mußte, nachdem er die Kranken besucht hatte, in einer Hütte vor dem Dorfe bleiben und nachher mehrere Wochen Quarantaine halten. Indeß starben in allem doch nur 13 Personen, von denen neun während der Sperre auf einem Hügel am Hafen begraben wurden, der noch davon den Namen Gruensbarg - Berg des Grauens - führt. Zum Andenken an diese Krankheit wird noch jährlich im Dorfe am 20sten Januar eine Betstunde gehalten.

Stein

- liegt, wie Laboe, am Kieler Hafen, nur ist das Ufer niedriger, und daher drang in früheren Zeiten das Wasser der Ostsee zuweilen ins Dorf. Das Wasser vom Felde läuft mitten durch das Dorf in die Ostsee, und bewirkt, wenn es nicht freien Lauf behält, bey anhaltendem oder sehr schwerem Regen, leicht Überschwemmung. Auch in diesem Orte wohnen mehrere Fischer, welche gleichfalls Schiffer sind, und das Getraide und Obst der Probstey nach Kiel, und in Friedenszeiten auch seewärts verfahren. Zwischen Stein und Laboe ergießt sich die Hagener Aue in die Ostsee.

Wenddorf

- hat wohl den schwersten Boden auf dem ganzen Kirchspiel, und dabey den großen Vorzug, auf dem Salzboden einen Platz von ohngefähr 50 Tonnen zu besitzen, auf dem jährlich 50 Stück Vieh geweidet werden. Auch messen die hiesigen salzen Wiesen etwa 20 Tonnen. Bemerkenswerth ist sowohl das Weiden auf dem Salzboden, als die Art und Weise, wie man das Futter von den dortigen Wiesen zu Hause bringt. Das Vieh muß durch den Binnensee getrieben, und das Futter durch denselben gefahren werden. Den Binnensee schätzt man auf 80 Tonnen. Es befinden sich in demselben drey kleine Inseln. Sie liegen beynahe im Triangel, gehören dem Kloster Preetz, und sind der Lutterbecker Mühle beygelegt. Es gewährt einen ganz eignen Anblick, wenn das Vieh durch den See getrieben wird, und das geschieht nicht bloß, um es dahin zur Weide zu bringen, sondern es muß auch in dürren Sommern täglich geschehen, um es zu tränken. Zwar hat man, weil es an frischem Wasser fehlt, Versuche gemacht, auf der Höhe einen kleinen Teich zu graben; allein dieser trocknet zu leicht aus, oder das Wasser erhält einen üblen Geruch, und wird dem Vieh ungenießbar und ungesund. Um das Heu durch den Binnensee zu bringen, wählt man, wenn es möglich ist, einen Zeitpunkt, indem das Wasser nicht zu hoch ist; aber auch dann muß man eigne Vorkehrungen treffen, da das Wasser doch gewöhnlich die Höhe erreicht, daß es durch die Wagenleitern läuft. Man füllt dann die Leitern gewöhnlich mit Stroh, oder legt auch Bretter über sie, auf welche dann erst das Heu geladen wird.

Hinter Wenddorf fließt auch eine Aue, die in frühern Zeiten nur ein Graben war, der sich durch die Flut sehr vergrößert hat. Sie entspringt auf dem Dorfsfelde, hat sonst keinen Zufluß, als von dem angrenzenden Lande, und ergießt sich in den Binnensee. Sowohl in dieser Aue, als auch im Binnensee und auch im Bottsand, werden Aale gestochen. Im Binnensee fängt man sie auch in einem Netze, welches Glipp genannt wird.

Kirchspiel Giekau

Bentfeld

- gehört zu den Dörfern der Probstey, deren Ländereyen erst spät urbar gemacht sind. Das Feld war ganz mit Waldungen besetzt. An der Bauervogtshufe dieses Dorfes hat man ein Beyspiel, in welchem geringen Werth die Hufen der Probstey in früheren Zeiten standen. Der Bauervogt Jochim Stoltenberg war durch Kriegsunruhen und feindliche Einquatirung so zurückgekommen, daß seine Hufe mit 100 Rthlr. Schulden belastet war. Er glaubte sie daher nicht erhalten zu können, und wollte sie einem seiner beiden Söhne übergeben. Der eine schlug sie ganz aus, der andre, ein Weber, hielt es für Thorheit, sein schönes Handwerk zu vernachläßigen, um sich mit der so schwer belasteten Hufe zu quälen. Die klösterliche Obrigkeit wollte einen Akkord mit den Gläubigern versuchen, allein das hielt der Weber für entehrend, und entschloß sich nach vielem Zureden, endlich zu dem großen Wagestück, die schöne Hufe mit 100 Rthlr. zu übernehmen. Es muß ihm doch glücklich gelungen seyn; denn noch eine lange Reihe von Jahren hindurch blieben seine Nachkommen im Besitz der Hufe, und dankten gewiß ihrem Stammvater den Muth, mit dem er das Wagstück übernahm und bestand.

Ratjendorf

- hat jetzt nur drey Hufen.Von der ehemals existirenden vierten Hufe waren die Besitzer im Jahr 1668 geflüchtet, und die Ländereyen derselben lagen mehrere Jahre unbebaut. Sie wurden darauf unter die übrigen Hüfner vertheilt, welche dafür die Kontributionen und Gefällte zu verrichten haben.

Ueber die Landwirthschaft der Probstey

Der Boden der Probstey ist im Durchschnitt nicht besser, als in mehreren Gegenden Holsteins. Jetzt, nach der Mergelung, ist er überall Waizenboden, was er aber nicht immer war. In Rücksicht auf seine Erdmischung ist der Boden der Probstey Thonboden mit geringerer oder stärkerer Beymischung von Sand, und, wie seine schwarzbräunliche Farbe, wenn er frisch gepflügt ist, beweist, mit einem reichen Gehalt von humus oder Dammerde. Auf einigen Feldern ist die Beymischung von Sand unbedeutend, und der Thon vorherrschend. Der Boden erhärtet sich bey trockenem Wetter, er hält im heißen Sommer, ja auch zuweilen bey starkem Frost, Risse und Spalten; die Bearbeitung ist schwer, der Boden kann nur durch den Pflug in große Schollen zerbrochen, und muß mit Keulen zerschlagen werden, da die Egge ihn nicht zwingen kann.

Nach seiner natürlichen Beschaffenheit hat das Kirchspiel Schönberg in den meisten Dörfern Thonboden mit geringer Beymischung von Sand, das Kirchspiel Hagen eine stärkere Beymischung von Sand, in der Probsteier Sprache einen grandigen Boden. Die Mergelung hat auch hier große Veränderungen bewirkt, und besonders, wo sie wiederholt ist, da der Mergel fast durchgängig Thonmergel ist, dem leichten Boden so viele Thontheile beymischt, daß auch der Thon das Übergewicht hat. Einzig das Dorf Wisch macht eine Ausnahme, indem ein Theil seiner Felder wahrer sandiger Geestboden ist. Schon hat das Mergeln ihn sehr gehoben, allein nur wiederholt wird es ihm die ausdauernde Fruchtbarkeit geben können, wodurch sich die Probstey seither auszeichnete. Manches Feld enthält bis auf 12 Zoll tiefe fruchtbare Erde, mehrere hingegen, und oft dem ersten nahgeleg'ne, nur auf 5 bis 8 Zoll.

Eine Eigenthümlichkeit des Probsteier Bodens ist, daß er einer anhaltenden Dürre widerstehen kann, aber bey anhaltender Nässe leicht leidet. Die Ursache davon liegt im Untergrunde. Uebrigens ist der Boden durchgängig flach, eben, hügelig nur an sehr wenigen Orten, bergigt gar nicht. Die Wiesen der Probstey, an welchen sowohl in Rücksicht auf Quantität, als Qualität das Kirchspiel Schönberg einen sehr bedeutenden Vorzug vor dem Kirchspiel Hagen hat, sind theils salze, theils frische Wiesen, auch haben einige wenige gemischtes, theils salzes, theils frisches Futter. Die salzen liegen alle am Gestade der Ostsee, und werden beym Nordostwinde auch im Sommer, im Winter aber häufiger von der Ostsee überflossen.Ihr Futter ist ungemein fein, sehr saftreich, schwer zu bearbeiten, und dem Rindvieh äußerst zuträglich Die meisten frischen Wiesen liegen an Auen und Bächen, können überrieselt werden, und enthalten größtentheils, wenigstens auf dem hiesigen Kirchspiel, einen großen Reichthum der besten Wiesenpflanzen.

Beackerungasystem der Probsteier

Die Landwirthschaft in der Probstei ist jetzt durchgängig Schlag- oder Koppelwirthschaft, Wechselwirthschaft mit Weide. Die Koppeln sind alle eingegraben, und durch lebendige Hecken eingefriedigt, welche jedesmal, wenn das Land zugebrochen wird, abgehauen werden, und in den Jahren wachsen, da es Getraide trägt. Man nennt diese Hecken auch Knicken, welcher Name wohl von der ursprünglichen Methode des Einknickens - Einbrechens, Umbiegens und Einlegens - abzuleiten ist. Meistens wurden diese grünen Hecken auf Erdwällen angelegt, welche aus den äußern und innern Einfriedigungsgraben entstanden, sehr selten auf ebenem Boden. Man wählte zum Bepflanzen meistens die den Boden angemessenen Pflanzen, z.B. in feuchten, niedrigen Gegenden die Erle, doch sind die Hecken in der Regel gemischt von Weißdorn, Schwarzdorn, Haseln und Hainbuchen. Einzeln trifft man in den Hecken auch Eschen, Weiden, selbst Eichen und Buchen. Wenn die Hecken abgehauen werden, werden die Graben jedesmal gereinigt und aufgegraben, und die fruchtbare Erde auf den Erdwall geworfen, wo sie ein wohlthätiges Düngungsmittel der Hecken wird. Eine Eigenthümlichkeit in der landwirthschaftlichen Nutzung des Ackers, wodurch sich die Probsteier Wirthschaft von der eigentlichen sogenannten Holsteinischen Wirthschaft, wie sie auf den adelichen Güthern getrieben wird, unterscheidet, ist die häufig bis zum Mißbrauch übertriebene, durch eine zu lange Folge von Saaten fortgesetzte Bearbeitung des Landes zum Kornbau, welche die Folge hat, daß nur wenig Land zur Weide übrig bleibt, dies wenige oft eine sehr klägliche Weide giebt, und nur eine kurze Zeit als Weide liegen bleibt.

Die Probsteier säen in der Regel dünn, auf 300 Quadratruthen eine Tonne Roggen, doch richtet sich der umsichtige Wirth auch hier nach der Beschaffenheit des Landes, wie nach der Witterung. In nassen Jahren wird stärker gesät. Man rechnet den Ertrag in der Regel auf das achte bis zwölfte Korn. Die Mergelung wurde durch die Probsteier vor einigen 60 Jahren zuerst wieder aufgefunden, und der Zufall war hier, wie bey so mancher Erfindung, der erste Lehrer. Seit dieser Zeit wurden allmählig immer mehrere Versuche, erst im Kleinen, dann im Großen angestellt, und der Erfolg war über alle Erwartung.

Die Probsteier kultiviren jeden Fleck Landes, der irgend der Kultur fähig ist, und sparen in dieser Hinsicht weder Mühe noch Kosten. Sie graben ihr Land außerordentlich gut ein, und haben immer in Hinsicht der Ableitung der Wassers einen sehr sichern, festen und praktischen Blick. Ihre Koppeln sind meistens, wo das Locale es irgend erlaubt, sehr richtig abgetheilt, und auch hier wissen sie Schwierigkeiten sehr glücklich zu überwinden. Die Ackerbeete sind bey einer hinlänglichen Breite schön abgerundet, in der Mitte nicht zu hoch, aber auch nicht durchaus flach, so daß das Land gehörig Feuchtigkeit halten, aber die überflüßige auch leicht abfließen kann. Sie pflügen vortrefflich, so viel irgend möglich, immer zur rechten Zeit, und geben den verschiedenen Saaten ihnen angemessene Pflugfurchen in nicht immer gleicher, sondern veränderter Tiefe. Überhaupt sind sie Meister in der ganzen Manipulation des Ackerbaues; man kann nicht leicht den Boden gleichartiger gelockert und gepulvert sehn, als auf der Brachkoppel eines guten Probsteier Landwirths, wo die vollendete Brache dem schönsten Gartenlande gleicht. Sie wissen für jede Arbeit den günstigsten Zeitpunkt zu treffen, und nutzen ihn mit emsiger Genauigkeit und Sorgfalt.

Allein bey allen diesen Vorzügen hat die Landwirthschaft der Probsteier gleichwohl auch ihre wesentlichen Mängel. Dahin gehören besonders der Strohverkauf; ihr Hauptprincip, so viel Getraide, als möglich, zu bauen, das ihnen die Quelle mehrerer Mißgriffe ward, die zum Theil Deteriorirung der Grundstücke durch zu erschöpfende Saaten zu Folge hatten; die mit der Wirthschaft in keinem Verhältnis stehende Viehzucht, und endlich die Beschränkung der Weide auf eine zu kleine Fläche. Daß ferner die Benutzung des Landes einzig zum Kornbau übertrieben werden könne, und zum Theil in der Probstey übertrieben ist, leidet keinen Zweifel; eben so, daß der Fruchtwechsel und die Folge der Saaten zuweilen höchst zweckwidrig war.

Die National-Eigenthümlichkeiten der Probsteier

Von den National-Eigenthümlichkeiten der Probsteier soll in den letzten vier Decennien manches, ja vieles verloren gegangen seyn. Eine gewisse zunehmende Kultur und Aufklärung, die vermehrte Bekanntschaft mit der größern Welt, besonders seitdem die jungen Leute eine Reihe von Jahren unter dem Militair verleben mußten, wodurch sie immer mehr fremde Gewohnheiten und Sitten annahmen und von dem Nationalen einbüßten; vermehrte Bedürfnisse und Luxus sollen bedeutenden Antheil an diesen Veränderungen gehabt haben.

Mit sorgfältiger Vorsicht vermieden sie früher jede Vermischung mit Nichtprobsteiern, die sie mit dem Prädicat »Höfisch« bezeichneten, womit, wenn nicht etwas Herabsetzendes, doch wenigstens der Begriff eines negativen Verzuges verbunden war, den der Probsteier seinem Volke nicht wünschte, von seinem Boden entfernt und seinen Gebräuchen und Sitten fremd erhalten wollte. Der junge Probsteier verließ, selbst wenn er reich war, fast nie oder doch höchst ungern, den geliebten väterlichen Boden, um auswärts anzukaufen. Kein Probsteier Mädchen folgte einem höfischen Mann, um eine Eheverbindung zu schließen, die sie von der geliebten Heimat getrennt hätte. Und wenn sie es gewagt, wenn Neigung für einen fremden Jüngling, oder die Aussicht auf ein vorzügliches Auskommen die innige Anhänglichkeit an ihre heimischen Fluren besiegt hätte: so wäre diese Verbindung für die ganze Probstey ein Gegenstand der Verwundrung, vielleicht der Furcht, wohl gar der Geringschätzung geworden, wenigstens allgemein als etwas sehr Gewagtes beurtheilt und angesehen worden. Selbst bey den nächtlichen Besuchen der Mädchen wurden kein Höfischer zugelassen, oder wenn vertraute Bekanntschaft mit mehrern jungen Mannspersonen - Jungens in der Sprache der Probsteier - einem Fremden einmal die hohe Ehre verschaffte, eine nächtliche Schwärmerey auf die Dörfer mitzumachen: so blieb er nur entfernter Zeuge, und durfte sich nicht die geringste Vertraulichkeit erlauben. Die Dirne, welche sich einen vertrauten Umgang mit Höfischen erlaubte, wurde nicht wieder von Probsteiern besucht, ward ein Gegenstand der Verachtung und mit entehrenden Schimpfnamen belegt. Wer sich die kleinste Abweichung vom Nationalen in seiner Kleidung erlaubte, bey seiner Tracht etwas von höfischer Sitte anbringen wollte, wurde nothhöfisch genannt und als solcher verspottet. Die Nationalverbindung war eng' und innig, und Allem Nationalen war in der allgemeinen Stimmung eine gewisse Unverletzlichkeit beygelegt.

Körperliche Bildung der Probsteier

Ganz unstreitig zeichnen hierin die Probsteier vor allen ihren Nachbarn sich vortheilhaft aus. Ein ganz eigner, grader, fester, körnichter Körperbau - äußerst selten findet man einen Verwachsnen - starkes, sich kräuselndes Haar, Kraft in Mienen und Gang, ein offnes, freies Gesicht unterscheidet sie sehr kennbar. Besonders hat das weibliche Geschlecht in der Regel eine vortheilhafte Bildung. Aeußerst auffallend ist es, daß hier eine weiße Gesichtsfarbe für die höchste Schönheit des weiblichen Geschlechts gilt. Een witte Deeren und ein schönes Mädchen sind gleichbedeutende Ausdrücke. Das ganze Gesicht war, um nicht von der Lust zu leiden, in mehrere seid'ne Tücher verhüllt, daß, außer den Augen und der Nase, fast nichts aus der Vermummung hervorragte, ja manche naschte oft gar Kreide und rohe Grütze im Ueberfluß, da dann begreiflich die bezweckte weiße Gesichtsfarbe in eine unangenehme Blässe überging.

Nationaltracht der Probsteier

Die Tracht der Probsteier hat mit der Tracht in einzelnen Gegenden, deren Bewohner höchst wahrscheinlich von niederländischen Kolonien abstammen, mehrere Aehnlichkeiten. Die Vierlander bey Hamburg haben, wenn gleich jede Landschaft ihre eigne, von den andern abweichende Tracht hat, fast keine andre. Die Friesen haben in ihrer Tracht manche sehr auffallende Aehnlichkeiten mit den Probsteierinnen.

Die Wämser der jetzigen jungen Probsteierinnen, ehemals hochroth, mit blauem Atlas eingefaßt, sind von allen möglichen Farben. Die hoch- und dunkelrothen Röcke und die dicken Strümpfe, denen man mit Seife und Kreide eine blendende Weiße zu geben weiß, sind geblieben. Die schwarzen Hüthchen mit herabhängenden Bändern sind jetzt gegen gold- und silberstickte Mützen vertauscht. Die männliche Nationalkleidung ist fast durchgängig abgelegt.

Eigenthümlichkeiten in der häuslichen Einrichtung, Lebensweise, Gebräuche bey den wichtigsten Veränderungen des häuslichen Lebens

Die Häuser der alten Probsteier sind fast alle nach einerley Form gebaut, Fachwerk, wobei Alles, Stender, Unterlagen, Balken, Sparren, Bretter von Eichenholz war, dessen Stärke noch jetzt von vormaligen Reichthum dieser Gegend von Waldungen beurkundet. Das Wohnzimmer - Dönns - hat durchgängig eine Täfelung von eichenen Brettern - Panehl - gewöhnlch zwey auch drey Wandbetten - in dem einen, in dem des Hauswirths, war meistens der Geldschrank - auch war an der Wand des Wohnzimmers ein Behältnis für die Schlag-Uhr - de Klock - angebracht. An den Stubenthüren sowohl als an denen der Bettschränke waren Füllungen angebracht, und einige Verzierungen, die überall gleich waren. Selten waren sie mit Schnörkeleien überladen.In den Häusern, wo die einfachere Lebensart zu Hause war, waren die Thüren vor den Betten nur Schiebethüren, in einigen aber mit Schlössern versehen, die dann reichen Messingbeschlag hatten, wo dann auch die Oefen, welche, selbst die eisernen, immer Kachelaben hießen, starke Messingknöpfe hatten. An der anderen Seite im Hause ist gewöhnlich die Kistenkammer - beste Dönns - welche auch zwey bis drey Bettschränke enthält, und wo in einer großen Reihe eichener, theils einfacher, theils ganz beschlagener, oft auch sehr bunt ausgelegter Kisten ein sehr bedeutender Reichthum an Flachs, Leinen und Kleidungsstücken aufbewahrt wird. An der täglichen Stube und an der besten Dönns sind auf der Diele mehrere Volksbetten angebracht. Diese Gegend des Hauses heißt de Lucht, und hier ist gewöhnlich de Blangdör - Seitenthür. - Das Uebrige an der langen Dreschdiele ist zu Speichern und kleinen Vorrathskammern eingerichtet. An den Balken der Wohnstube war gewöhnlich das Jahr der Erbauung und der Name des Erbauers und seiner Ehefrau eingemeißelt, auch las man hin und wieder Bibelsprüche und kurze Setenzen. Schornsteine kannte man - wie noch jetzt in Lief- und Ehstland - bey der alten Bauart nicht. Der Rauch vom Heerde, welcher mit einer eisernen Thüre versehen war, zog längs der Diele, und neben dem Heerde waren die beiden Backöfen, welche sowohl zum Backen, als zum Rösten des Flaches gebraucht wurden. Die milchenden Kühe stehen an der Diele, und vorne im Heckschauer sind die Pferdeställe. Auf der Hofstelle sind sonst noch ein oder zwey Gebäude, Kaben genannt, in denen das junge Vieh und die Schweine gestallt werden, auch das Heu und die Erbsen, zuweilen auch Hafer geborgen wird.

In frühern Zeiten herrschte auch hier die Sitte des Fensterbiers. Wenn in einem neuen Haus neue Fenster oder auch nur ausgebesserte eingesetzt werden sollten, luden die Eigenthümer ihre Nachbarn und andere gute Freunde dazu ein, welche dann ein Geschenk an Geld darbrachten, wofür eine Lustbarkeit mit Tanz angestiftet wurde. Auch schenkten einige ein ganzes Fenster, da denn in der Mitte auf einer Scheibe ihr Name und Hausmark, zuweilen auch ein Sinnbild mit der Jahreszahl eingebrannt und gemalt ward. Es existiren hier noch einzelne solcher Fenster aus dem 16ten und 17ten Jahrhundert, deren Sinnbilder nicht zu entziffern sind.

In den letzten zwanzg Jahren sind in der Bauart der Häuser einige bedeutende Veränderungen angebracht. Es wurden eine besondere Küche mit einem Keller angelegt, ein Schornstein zum Dache hinausgezogen, die tägliche Stube höher vom Boden gemacht und die kleine vergrößert. Auch wurde die Wand um den Ofen, ja zuweilen die Wand in der kleinen Stube ganz mit holländischen Klinkern belegt. Statt des Eichenholzes wurden zu Lambri's Föhren- oder Eschenholz genommen, und diese zum Theil ganz ausgemalt. Indessen ist in den neuerbauten Häusern die Einrichtung immer dieselbe.

Die Lebensweise der alten Probsteier war äußerst einfach. Sie standen immer sehr früh auf, genossen dann nur kaltes Bier und Brod, und arbeiteten bis zur Frohkost, die in Grütze oder erwärmten Bier und Butterbrod bestand. Dann wurde wieder bis zum Mittag gearbeitet. Jedes Mittagsmahl muß Klöße und Waizenmehl enthalten. Auch ißt der Probsteier vielBrod von Waizenmehl, und das Roggenmehl wird meistens gesichtet - Schönbrod. - Eine Lieblingsspeise der Probsteier ist suure Suppe, diese ist von Speck, oder Gänsefleisch, Klößen, Kartoffeln, gelben Wurzeln und Essig bereitet, eben so wird viel schwarzes Sauer von Gänse- oder Schweinefleisch gegessen. Nach einiger Meinung soll die Gewohnheit, Schwarzfleisch zuzurichten, von den alten Wenden herrühren, die das, was von Opfervieh übrigblieb, auf diese Weise zum Gastmahle zurichteten. In der Diät sind im Ganzen in neuern Zeiten keine große Veränderung vorgefallen; nur ist auch hier der Gebrauch von Kolonialwaaren, wie das Punsch- und Weintrinken, eingeführt.

Bey der Taufe eines Kindes, besonders in den großen Familien, kamen immer zwey mit vier Pferden bespannte Wagen mit den Gevattern und vielen Frauen zur Kirche. Diese fuhren aus dem Dorfe in vollem Galopp, und die Gevattern und Frauen mußten aus vollem Halse juchheien. So ging's in allen Dörfern, durch welche sie fuhren, so kamen sie im Kirchdorf an. Jetzt kommen sie vernünftiger und ruhiger nur mit den Gevattern und einer Frau an, die das Kind tragen muß, und damit werden denn auch die großen und wirklich unzweckmäßigen Kindtaufsgelage sehr beschränkt. Am Tage der Taufe des Kindes, wenn nun zur Kirche gefahren werden sollte, trat die Frau, welche das Kind zu tragen hatte, vor das Bett der Wöchnerinn, nahm das Kind wendete es dreymal vor der Mutter um, und sagte: Nun in Gottes Namen! »Heid' nehm ick Dick weg, Christ bring' ick Dick wedder,« ging dann zuerst auf den Wagen; auch hatte sie sich an diesem Tage außerordentlich in Acht zu nehmen. Nach der Taufe werden die weiblichen Gevattern und Frauen von den Wirthen oder den männlichen Gevattern im Kirchdorfe mit Kaffee und Wein oder Branntwein mit Zucker bewirthet, und fahren dann in's Haus der Aeltern zurück, wo während ihrer Abwesenheit die Mahlzeit bereitet wird. Bey dem Braten steht der Hauptgevatter auf, nimmt ein Stück Brod, ein Stück Braten und ein Glas Bier. Dies bringt er mit einem Stück Geld der Wöchnerinn, die von nun an andre Speisen genießen darf, da sie bis zu diesem Augenblick auf ihre Biersuppe beschränkt war. Wenn die Wochenfrau ihren Kirchgang hielt, war wieder ein Schmauß, den man Karkbeer nannte. In Probst-Hagen wurden die Kirchengängerinnen förmlich eingesegnet; hier ist diese Sitte abgekommen.

Weit mannigfaltiger und zusammengesetzter waren die Gebräuche bey den Hochzeiten - Kösten - der Probsteier. Sie werden zum Theil noch beobachtet, wenn ordentliche Hochzeiten gehalten werden. Diese können aber bey den sogenannten kleinen Leuten gar nicht beobachtet werden,und fallen auch bey den Begüterten meistens weg, da diese häufig eine Allerhöchste Konzession zur Hauskopulation suchen, und dann in der Stille, oder in einer ganz kleinen Gesellschaft ihre Eheberedung vollziehen. Es ist werth, eine größere Hochzeit genau zu beschreiben, da mehrere Gebräuche bey derselben den Geist der Nation charakterisiren, und ein vielseitiges Interesse haben. Eine alte Sitte, dat Brudschatt-Sammeln, ist seit 1794 abgeschafft. Die Braut ging mit einem Kissenüberzug und einem Stock in alle Dörfer der Probstey, und vor ihr eine Frau mit einem Sack. Sie ging meistens in alle Häuser, sammelte sich Lebensmitel, Federn, Geld zum Anfang ihres Hausstandes, und auch die Frau erhielt ein Geschenk. Diese Sitte kostete jeden Hufner jährlich an fünf Tonnen Roggen, die andern Geschenke ungerechnet. Die meisten Ehen in der Probstey werden bey den nächtlichen Besuchen der Mädchen, auf dem Bette verabredet, und sind eine unleugbar Thatsache. Doch führt auch der Tanz die Liebenden zusammen, und mehrere Ehen sind, besonders bey Begüterten, Folgen früh'rer Vereinbarung der beiderseitigen Aeltern, wobey denn hauptsächlich ein Hufentausch, oder Erhaltung des Vermögens, und der lange bestehenden Familien-Verbindung berücksichtigt wird.

Die Einladung zur Hochzeit - Köstbidden - geschah vor Zeiten sehr feierlich. Bräutigam und Braut ritten durch die ganze Probstey, er von einem Freunde, sie von einer Freundinn begleitet. Der Einladende bediente sich folgender Formel: »Ick wull to Köst birr'n, Morn over acht Dag, na min Vatters Huus, schull'n vorlef nehm, wat ick upbring'n kann.« [2] Darauf sagte der Begleitende: »De Behj wuck nich gern wegget hebben,mot so veel beeter nahdenken, as't bestellt ist.« [3] Dann erwiederte der Eingelad'ne: »O is goy noog bestellt.« [4] Dies hat jetzt aufgehört.

Kurz vor der Hochzeit wurde die Aussteuer - de Waar - der Braut in's Haus des Bräutigams gefahren -Brudkisten fahren. Der Bräutigam führte den einen, mit vier Pferden bespannten Wagen , der Vater oder Bruder der Braut, oder der Bauknecht im väterlichen Hause den andern. Der Fahrende wurde mit einem gelben seidenen Tuche beschenkt, der ihm in Form eines Quadrats vorn an den Hut gesteckt ward. Hiezu wurden die Pferde ordentlich eingefahren, denn es mußte im Galopp von der Hofstelle, durch die Dörfer, und eben so in's Haus des Bräutigams gehen. Auf dem Wagen standen gewöhnlich drey große Kisten, deren eine Flachs, die andre Leinen, die dritte Kleidungsstücke und buntausgenähte Stuhlpolster enthielt. Mit den Kleidungsstücken trieb man große Verschwendung. Es gehörte zu einer guten Aussteuer eine solche Menge fertig gemachter Kleidungsstücke, daß es unmöglich war, sie alle im Leben aufzubrauchen, und daher fand sich im Nachlaß der Probsteier Frauen gewöhnlich eine Menge durchaus noch nie gebrauchter Kleidungsstücke. Die Betten wurden hinten in den Wagen gelegt und in ihnen lagen die Musikanten, welche bey der Abfahrt, bey der Ankunft, und auch zuweilen durch die Dörfer blasen mußten. Die hölzernen Stühle, auf welchen der Name der Braut und die Jahreszahl angebracht waren, wurden ringsum bey den Kisten eingesteckt. Auf jedem Wagen saß ein Mädchen, die eine hielt einen Spinnrocken, die andere ein andres Haushaltungsgeräth in der Hand. Auch bey dieser Gelegenheit fand Bewirthung statt.

Nun kam die Feier der Hochzeit. Die Braut fuhr in einem mit vier Pferden bespannten Wagen zur Kirche. Sie saß in der Mitte, vor ihr ihre Zuführer, hinter ihr die Brautjungfern, zuweilen folgten auch mehrere Frauen. Die Braut war sehr festlich geschmückt. Sie trug auf dem Kopf einen Brautschmuck eigner Art - Bindchen - in Form einer größernKrone, mit vielen Perlen, Grün, Naturell und glänzenden Blumen besetzt. Er wurde rings um den Kopf zugebunden und in die dadurch entstehende Oeffnung ein sehr mit Perlen besetzter Zierrath - Achterband - angebracht. Das Haar ward mit einem kleinem Bande gebunden, an dem ein vier Ellen langes rosa-seidenes Band, unten mit Silber besetzt, befestigt war, das frey flatterte, und wallte übrigens frey über die Schultern herab. Um den Hals trug sie einen Kragen von feinem Kammertuch, in Form der Prediger-Kragen, nur kleiner und stark geblaut. Ihr ganzer Anzug war von feinem schwarzen Tuch - Wandt - stark mit dem besten Atlas verbrämt - Verböhrelsch - doch war der Rock auch zuweilen von schwarzem Dammast; der Latz - Bostdook, auch Rump - war entweder von drap d'or, drap d'argent, oder von schwarzem Sammt mit agremens - Ackermann - und silbernen Maljen, über welche eine sieben Ellen lange silberne Kette gezogen ward. Die Schürze war von feinem Kammertuch, wie der Kragen, stark geblaut. Das Leibband war schweres schwarzes Band, unten mit Silber besetzt. In frühern Zeiten ward auch noch ein schwarzer Mantel getragen. Die Brautjungfern - Brutmähd - waren schwarz gekleidet, gingen mit entblößtem Haupte, das Haar in Flechten um den Kopf gebunden und mit glänzenden Hinterbande geschmückt. Die Zuführer waren auch schwarz gekleidet.

Ein sehr rührender Anblick soll es immer gewesen seyn, wenn die Braut aus dem väterlichen Hause wegfahren sollte. Kurz vorher gingen die Aeltern langsamen Schrittes in die Kistenkammer - besten Dönns - und setzten sich da ganz allen nieder. Wenn alles zur Abfahrt fertig war, ging die Braut ganz allein zu ihren Aeltern, um feierlich Abschied zu nehmen. Dabey mußten die Musikanten immer den Marsch des Prinzen Eugen blasen, der etwas Langsamfeierliches hatte. Gewöhnlich zerfloß dann Alles in Thränen.

Die Abfahrt mußte auch im Galopp gehen, und eben so kamen sie im Kirchdorfe an. Der Bräutigam kam mit seinen Zugführern zu Pferde. Sie ritten in einer Linie, und in den Dörfern im Galopp. Man wählte die stolzesten,muthvollsten Rosse, und diese wurden dazu besonders gefüttert, auch hatte der Bräutigam gewöhnlich ein ganz neues Pferdegeschirr. Manches Pferd wurde bey dieser Gelegenheit zunichte geritten. Im Kirchdorfe bewirthete der Bräutigam die ganze Gesellschaft mit Kaffee, Wein und Branntewein mit Zucker.

Während des Trauacts sammelte sich auf dem Kirchhofe eine große Menge Bettler, welche die Braut,so wie sie aus der Kirche trat, umlagerten, und unter welchen sie mit beiden Händen Geld auswerfen mußte. Bey der Rückreise zum Hochzeitshause suchte der Bräutigam mit seinen Zugführern zuerst anzukommen.Dann stellte er sich mit ihnen ins Heckschauer. Die Braut kam an und stellte sich mit den ihrigen ihm entgegen. Nun erschien ein Schafferknecht mit entblößtem Haupte, mit einer Bouteille Wein und einem Glase, trank dem einen Zuführer zu, dieser dem andern, der letzte dem Bräutigam, dieser der Braut, welche, nachdem sie getrunken, das Glas über den Kopf werfen mußte. Eine gute Vorbedeutung, wenn es zerschmettert ward, eine schlimme, wenn es unverletzt blieb. Dann nahm ein Zuführer dem Bräutigam den Hut ab, und setzte ihn der Braut auf.In diesem Augenblick hat sie die Herrschaft, hernach muß sie sich in den Willen des Mannes fügen. Sie führt den Zug in's Haus, empfängt die Glückwünsche und beginnt nun den Ehrentanz.

In der besten Dönns war nun die Aussteuer zur Schau ausgestellt. Hier waren besonders die aufgemachten Betten auffallend. Sie waren mit Kissen, die alle ihre verschiedenen Kappen halten, welche mit farbigen Bändern zugebunden waren, so vollgepfropft, daß es durchaus unmöglich war, in sie einzudringen. Die Kisten waren verschlossen. Die Schlüssel trug eine Freundin der Braut -Kistenschlütersch- an einem gewaltigen Haken, sie tanzte mit ihnen, und verursachte ein heftiges Geräusch.

Außer den bereits genannten Personen gehörten zum Personale einer großen Hochzeit:

  1. Zwey Schafferknechte. Sie gingen mit bloßem Kopf, mit einem Handtuch-Dweel- umgürtet. Sie warteten auf, und trugen besonders zwischen den Gerichten die Pfeifen herum.
  2. Zwey Schaffermädchen. Auch diese gingen mit bloßem Kopf, trugen die Speisen auf, und riefen in vorigen Zeiten immer: »freut Juck, wi bringt Klümp.«
  3. Zwey Schafferknaben von 10 bis 12 Jahren aus der nächsten Verwandschaft. Sie trugen zinnerne Kannen zum Einschenken in die Krüge, und hießen Schenkers.

Bey Tische saßen Braut und Bräutigam einander gegenüber, die Amtsleute ihnen zur Seite. Zwische dem Brautpaare stand ein großer Familienleuchter mit dem Schafferbusch, so, daß sie einander nicht sehen konnten.

Die Gerichte waren: Schweinefleisch mit Klößen -drög Klümp - dann Hühnersuppe, hierauf Rindfleisch mit Meerrettich -Mörkflesch- und zuletzt Hühner und Schweinbraten mit dickem Reis. Zwischen jedem Gerichte ward Toback geraucht, auch getanzt.

Während der Mahlzeit hielten die Schafferknechte eine Sammlung für sich, die Köchinnen, von denen sie immer traurige Schicksale erzählten, und die Musikanten. Sie waren von Musik begleitet. Der eine hatte einen großen hölzernen Löffel -Schleef- mit Salz und einem kleinen Ende Licht; der andre einen großen Apfel, in welchen die Gaben hineingedrückt wurden. Für sich selbst erhielten die Schafferknechte nebenbey Geschenke, die man ihnen dann in die Hand gab. In neuen Zeiten folgte nun eine Sammlung für die Armen.

Dann folgte der Tanz mit den Schafferlichtern. Die Schafferknechte und Mägde tanzten vor mit brennenden Lichtern in der Hand. Je länger sie brannten, desto besser.

Hierauf schritt man zur Köstgav. Vor Braut und Bräutigam ward eine zinnerne Schüssel gesetzt, auf welche die nächsten Verwandten zuerst und dann die Hochzeitsgäste ihre Gaben legten. Wohlhabende beschenkten beide. Die Anrede war, unter Abziehzug des Huths: »Ji möt de lütje Gav ook nich verschmajen,« und wurde dadurch beantwortet, daß die Beschenkten ihnen Wein mit Zucker zutranken. Das geschenkte Geld wurde in einen sammtnen Beutel mit Quästen gesteckt und als ein Heiligthum aufbewahrt.

Nun stellten sich die Musikanten den Brautleuten gegenüber. Der Schullehrer gebot Stille, und es herrschte meistens allgemeine, feierliche Stille.Es ward ein Lied gesungen, z.B. In allen meinen Thaten und von der Musik begleitet. Allein so unmittelbar auf den Gesang, daß kaum sein letzter Ton verhallt war, spielten die Musikanten den Nationaltanz -Heitanz - zu dem jetzt alle eilten. Auf diesen folgte de lange Danz. Die Mädchen tanzten allein in einem um die Braut geschloßnen Kreise;die Frauen umgeben von Reihen. Bald werden die Lichter ausgelöscht. Nun suchen die Frauen die Braut zu erhaschen. Sie greifen oft fehl, und dann erschallt ein lautes Gelächter. Endlich gelingt es einer, die Braut zu greifen, und nun läuft sie mit ihr unter rauschender Musik in die beste Dönns, in welcher nur der Bräutigam und einige Frauen zugelassen werden. Hier wird ihr die Mütze aufgesetzt. Nun trinkt der Mann ihr zu. Alles horcht auf ihre Anrede, ob sie nun Gelt Dick oder Gelt Juck sagt, da hiernach bestimmt wird, ob sie ihren Mann künftig Du oder Ji anreden wird. Sie tanzt nun noch ein paar Tänze, und wird dann mit Musik in die Brautkammer begleitet. Die Hochzeitsgäste entfernen sich nun Alle auf's Nachtquartier zu den Dorfnachbarn, wo sie alle noch einmal bewirthet werden.

Aus den Dörfern strömte immer zu den Hochzeiten eine Menge Neugieriger herbey, um na'n Kick to gahn - umzusehen. Sie erhielten auch ihren Theil von der Bewirthung, doch war ein gewisser Balken des Hauses, davon Tokiekerbalken genannt, die Gränze, über welche sie nicht kommen durften, und auf welchen sie nöthigenfalls von der Polizey zurückgewiesen wurden. Indeß trieben sie zuweilen viel Unfug.

Von dieser Scene der heitern Freude wollen wir unsre Probsteier dahin begleiten, wo das ernste Ende des irdischen Lebens, und die Trennung in seinem Gefolge, jedes Geräusch, jedes Getümmel zu entfernen gebeut, und feierliche Stille und stillen Schmerz so natürlich und unsern Gefühlen und Pflichten angemessen heischt. Auch bey den Leichen der Ihrigen haben die Probsteier ihre eignen Gebräuche. Die alten Grabbiere, bey denen oft taumelvolle Freude die Klage überschrie, sind abgeschafft. Am Beerdigungsmorgen wird die Leiche aus der besten Dönns, wo sie bisher stand, auf die Diele getragen. Da steht sie offen, um von den Verwandten aus den andern Dörfern, und von der ganzen Leichenbegleitung noch einmal gesehen zu werden.

Nach einem von dem Schullehrer des Dorfs gesungenen Kirchenliede wird der Sarg verschlossen und die Leiche zu ihrer Ruhestätte gefahren. Auf dem Wagen sitzen über der Leiche die nächsten weiblichen Angehörigen ganz verhüllt -geschlippt- die andern folgen der Leiche zu Fuß. Der Gebrauch des Schlippens in tiefer Trauer findet sich auch bey den Wenden in der Lausitz (nach Leske) und bey den alten Ditmarsen, nur mit dem Unterschiede, daß die Wenden sich dazu eines großen weißen Tuches, die alten Dittmarsen einer großen Kappe bedienten, welche auswendig schwarz, inwendig von grünem Bardewyker Tuch war, bey den Vornehmen mit vergoldeten Schrauben.

Hierher gehört auch wohl die Sitte der Probsteier, daß Abgebrannte sich ein ganzes Jahr hindurch in Trauer-Kleidern zu zeigen pflegen. Nächtliche Besuche bey den Mädchen. - Na'n Deerens gahn.-

Diese gewöhnlich einseitig verurtheilte, immer aber wie für die Sittlichkeit überhaupt, so besonders für die so wichtige weibliche Schamhaftigkeit und auch sonst noch in mehrerer Hinsicht nachtheilige Sitte ist nicht den Probsteiern ausschließlich eigen. Sie existirte, nur unter verschiedenen Benennungen und Modicationen, bey mehreren Völkern. Sie galt bey den Fehmeranern, wo sie durch fürstliche Verordnungen von 1702und 1706, und durch geschärfte Königliche von 1737 und 1752 verboten ist, unter dem Namen Fenstern in einer für die Sittlichkeit weit nachtheiligern Gestalt. Auch in der Landschaft Osterland Föhrde wurde das Nachtfreien und die Aufsitzer-Gelage durch eine Königliche Verordnung von 1740, wegen des damit verbund'nen Unfug's, untersagt. In der Schweiz führte sie den Namen Kiltgang. Keyßler - dessen Reisen, Th. 1.S. 25 - erzählt hierüber eine sehr naive Aeußerung eines Greises. Die Obrigkeit wollte diese Sitte abschaffen, die Bauern aber sie sich nicht nehmen lassen.Sie nahmen einen Advokaten aus Lindau an, und in einer gehaltnen Versammlung trat ein Greis auf, und gab folgende Erklärung ab: »Mein Großvater hat gefügt, mein Vater hat gefügt, ich habe gefügt, und also will ich, daß mein Sohn und seine Nachkommen auch fügen sollen.« Im Rudolstädtischen wurden die Verlöbnisse auch bey Nacht geschlossen, und dagegen eine eigne Verlöbnißverordnung gegeben. Auch das Korteln der Helgolander scheint hierher zu gehören.

Die Sitte soll bey den Probsteiern nicht einmal so verwerflich seyn, wie man gewöhnlich glaubt. Mehrere junge Leute, oft ganze Schwärme, und je größer ihre Anzahl ist, desto gefahrloser, bereden sich zu einem nächtlichen Besuche, zuweilen bestimmt bey einem Mädchen, zuweilen unbestimmt bey mehrern auf andere Dörfer, wozu sie den Bauern ihre Pferde aus den offnen Ställen ungefragt wegnehmen. Die Seitenthüre des Hauses ist nie verschlossen, sie gehen ungehindert ein, und umlagern nun das Bette des Mädchens von allen Seiten. Zuweilen muß das Mädchen aufstehen, Licht anzünden, und Getränk holen. Dann geht sie wieder zu Bette, und die jungen Leute halten während dessen vertraute Unterredungen, oder singen Volkslieder. So machen sie in einer Nacht mehrere Besuche.Wer ernsthafte Absichten auf ein Mädchen hat, geht allein, wird dann vorzüglich bewirthet, beschenkt, und das versproch'ne Mädchen nimmt weiter keine Besuche an. Ihre Antwort: Jungens, ick hef een Frier, scheucht die Schwärme zurück. Zuweilen gehen auch wohl Einzelne, jeder für sich, oder Paarweise,wahrscheinlich in schon sträflichern Absichten, auf's Gerathewohl zu ganz unbekannten Mädchen, und da ist der sonderbare Gebrauch, daß man, um das Mädchen doch wenigstens vorher zu beäugeln, Feuerzeug bey sich führt, und über demselben wiederholt Feuer schlägt. Die jungen Leute verfallen häufig auf Muthwillen, treiben auch mitunter Unfug, besonders, um sich an solchen Hüfnern zu rächen, die ihre Ställe oder die Seitenthür verschlossen haben. So ist es noch in sehr frischem Andenken, daß ein solcher Hüfner an einem Morgen seine Wagen auf dem Dache der Scheune mit Dünger beladen erblickte. Auch entspringen hieraus mancherley Verwirrungen, besonder bey Matrimonialprozessen.

Nationaltanz, Gilden

Die Probeier hatten ihren eignen Tanz, der mit dem Tanz der alten Wenden ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Er zeichnete sich besonders durch Schwingungen der Tänzerinnen aus, die sich in Wirbeln drehten, welches oft, besonders bey den kurzen Röcken einer Periode, an Unanständigkeit gränzte; auch stampften zuweilen die Männer mit den Füßen. In einem gewissen Tanze, der deswegen Dütjendans hieß, gab die Musik ein Zeichen, auf welches jeder Tänzer seine Tänzerin küssen -Dütjen - muß. Der Nationaltanz ist jetzt von modernen Tänzen, Walzern, Ecossaisen, russischen Hopsawalzern u.s.w. verdrängt. Nur selten wird der Nationaltanz als Erinnerung aus einer vergang'nen Zeit getanzt.

Tanz ist die Lieblingsbeschäftigung der Probsteier. Daher auf allen ihren National-Lustbarkeiten, den beiden Gilden, und bey ihren sogenannten Bieren getanzt wird. Das Haupt-Nationalfest ist die Pfingstgilde. Sie fängt an der Mittwoche in der Woche nach Pfingsten an, und dauert bis zum Sonnabend. Der Freitag ist der wichtigste Tag, zu dem auch immer Fremde aus den benachbarten Gegenden herbeyströmen. Der Umtanz setzt den Zuschauer in eine Idyllenwelt zurück, und hat viel Romantisches. Es wird von Hause zu Hause über das Dorf getanzt, und nur die Häuser werden übergangen, in welchen Trauer herrscht.Ein Aeltermann führt den Zug von Einem Hause in's Andre, und bedient sich dabey gewöhnlich dieser Formel[5]: »Na! wi wöllt düssen Buurenook nich ganz verteeren, laat's een Huus wih'r gaan. Wü heft een gojen Buurn hat, wüllt ins hanöver nah un sehn, wat de us to Willen deiht.« Nun spielt die Musik den Nationaltanz und der Zug geht weiter. Das Haus eines Hufners ist Gildehaus und mit einem Kranz geschmückt; das geht gewöhnlich in der Reihe fort, doch werden auch hier Trauerhäuser übergangen. Die Hufner geben Malz, von welchem die jungen Leute das Bier selbst brauen. Die um Pfingsten gewöhnlich schöne Natur und der Anblick der frohen Leute giebt diesem Volksfest ein allgemeines Interesse. Auf die Pfingstgilde folgt noch gewöhnlich als Zugabe das Milchbier, von den Milchmädchen, und das Musikantenbier, von den Musikanten gegeben, jedes an einem der nächsten Freitage. An beiden Tagen wird wieder getanzt.

Die zweyte Gilde wird gleich nach Lichtmeß gehalten, und heißt Fastelabendsgilde, ist der Pfingstgilde im Uebrigen gleich, den Umtanz ausgenommen. Diese Jahreszeit scheint eigentlich zu Volkslustbarkeiten wenig passend zu seyn, und gleichwohl finden wir sie in mehrern Gegenden dazu gewählt. Das Jurten und Jühlen im Eiderstädtischen, welches zuweilen mit hieher gerechnet wird, scheint nicht dazu zu gehören. Es fällt in die Zeit vom ersten Weihnachtstage bis heiligen drey König. Der eigentliche Ursprung der Fastelabendslustbarkeiten ist wohl im Pabstthum zu suchen. Sie wurden eingeführt, um sich zu den Entbehrungen der stillen Fastenzeit zu stärken. Geßner führte sie noch weiter zurück und gab ihnen heidnischen Ursprung. Ein alter Volksaberglaube in der Probstey macht den Teufel zu ihrem Stifter, und läßt ihn immer hintenan tanzen.

Außer diesen beiden Gilden haben die Probsteier auch noch Todten- und Brand-Gilden. Hier bedeutet das Wort Gilde eine Innung, Brüderschaft. Die Todtengilde ist nichts weiter, als Vereinbarung der einzel'nen Dorfschaften zur unentgeldlichen Besorgung der zu einer Leichenbestattung erforderlichen Geschäfte, die alle im Dorfe ihre Reihe haben. Einige machen die Grube, andere besorgen das Geläute;einige tragen die Leiche,andre folgen ihr zu Grabe.Alle diese Geschäfte geschehen unentgeldlich, und so wird durch diese Einrichtung verhindert, daß der Schmerz am Grabe durch die in andern Gegenden oft unerschwinglichen, häufig doch schweren Kosten der Beerdigung nicht noch schwerer und drückender werde. Die Brandgilden sind jetzt blos Mobiliengilden, denn die Häuser werden alle bey der adelichen Brandgilde versichert.

National-Industrie

Daß die Probsteier in allen Arbeiten, welche der Ackerbau erfordert, vorzüglich gewandt und geschickt sind,ist allgemein anerkannt. Desdwegen werden sie auch immer auswärts gesucht. Zu Eingrabungen, zur Mergelung, zum Schneiden und Dreschen der Rübsaat werden sie auf mehreren Güthern vorzugsweise gebraucht.Sie gehen nach Jütland,Fühnen - und in frühern Zeiten auch nach Holland. Sehr viele gehen jährlich in die Marschen, besonders nach Eiderstädt, wenn die Wintergerste reif ist, bleiben da die Aerndte über, und so lange es etwas für Geld zu dreschen giebt. Sie erwarben sich dabei bedeutende Summen, kehrten aber häufig mit dem Marschfieber zurück. Mehrere starben auch in der Marsch, und ließen ihre hülflosen Wittwen und unversorgten Waisen zurück; noch beträchtlicher aber ist die Anzahl derer, die daselbst ihre Gesundheit verloren.

Auch sind die Probsteier sehr geschickt im Decken mit Rohr und Stroh, wozu sie im ganzen Lande gesucht werden. Doch nicht bloß hierin und für die Manipulation des Ackerbaus beweisen sie Geschicklichkeit, sie liefern auch Handwerker aller Art, die ihrem Beruf vorzustehen wissen, und deren Arbeit zum Theil ausgezeichnet ist. So giebt es besonders sehr viele recht geschickte Weber, welche auch das bunte Zeug zu den Röcken des weiblichen Geschlechts verfertigen. Nur Schade, daß sie bis jetzt noch nicht ganz wollene Zeuge verfertigen können. Auch zeichnet sich ein Probsteier als Schönfärber rühmlich aus. Mehrere Probsteierinnen haben im Spinnen und Nähen recht viele Fertigkeit, einzelne auch im Sticken der bunten Namen und Zierrathen, womit besonders die Schürzen prangten; eine große Anzahl ernährt sich vom Strohflechten, und der Verfertigung von Strohmatten und ordinären Strohhüten, von denen in den letzten Jahren besonders eine große Menge ausgeführt ward. Auch bereiten viele der Hausfrauen einen recht guten Bieressig, meistens für die Bedürfnisse ihrer Haushaltungen, doch treiben mehrere Krüger der Probstey auch damit ein bedeutendes Gewerbe und haben vielen Absatz.

Der Nationalcharakter der Probsteier

Ein National-Charakter kann eigentlich nur so lange existiren, als die National-Verbindung eng und innig und die Anhänglichkeit an die Eigenthümlichkeiten allgemein herrschend ist; er verwischt sich, so wie jene sich löset, und diese der Nachahmung fremder Sitten weichen muß. So auch hier. Doch zeichnet sich der National-Charakter der Probsteier, eines durch die Natur durch liebenswürdige Vorzüge getreuen Volkes, noch immer durch treuherzige Biederkeit, offne Zutraulichkeit, unermüdete Arbeitsliebe, unerschütterliche Redlichkeit und natürliche Gemüthlichkeit besonders aus. Ihr ganzes Benehmen bezeichnet ein gewisses Kraftgefühl, das wohl mit unter in Derbheit ausartet; auch erzeugt das Gefühl ihres Wohlstandes wohl zuweilen einen Uebermuth, doch immer bleiben die Vorzüge ihres Charakters überwiegend.

Die Armenanstalt, die im Jahr 1794 durch das thätige Streben und die väterliche Fürsorge des Herrn Pastor Schmidt, in Verbindung mit dem Hern Klostervogt, eingerichtet wurde,die nicht nur der Betteley ein Ende machte, und eine zahlreiche Jugend den bedeutenden Gefahren entriß, in welchen die Betteley sie unaufhaltsam stürzte, sondern auch manche Noth linderte und im Stillen viel Guthes wirkt, ist im besten Flor, und beweist die Einsicht, das Mitleidsgefühl und den Eifer der Probsteier für alles Gute auf das rühmlichste.

So muß ich mich denn -wie immer zu früh- von dem Ländchen und seinen Bewohnern trennen, in welchem mir so mancher Mensch, so manche Stätte wichtig, werth und lieb geworden ist und immer bleiben wird.Vielleicht nie seh' ich Dich wieder, Du liebes, liebes Völkchen - aber gewiß, auch in der weitesten Entfernung werde ich nie ohne Rührung an Dich und die in Deiner Mitte verlebten Tage zurückdenken. Des Himmels Segen sey und bleibe Dein. Halte fest an Deine Eigenthümlichkeit, die Dich auszeichnet, den den Fremdling anzieht und erfreut! - Der Mensch behauptet so selten in der Welt sein eigenthümliches Gepräge, und doch hebt nur dies allein ihn hervor aus der Altagsmenge, und dem Altagsleben.Deine Einfalt, Deine Gastfreundlichkeit, Betriebsamkeit und Arbeitslust vererbe von Enkel zu Enkel.

»So lang die Einfalt dauert, wird auch der Wohlstand währen«

sagt ein deutscher Dichter, der in seinen »Alpen« das glückliche und freie Schweizervolk darstellt, in seiner Einfachheit und Abgeschiedenheit, in seiner frommen und fröhlichen Sitte, die von den Vätern auf die Söhne überging. Und wie Haller im letzten Verse sagt:

O selig! wer, wie Ihr, mit selbst gezog'nen Stieren
Den angestorb'nen Grund von eig'nen Aeckern pflügt;
Den reine Wolle deckt, belaubte Kranze zieren,
Und ungewürzte Speis' aus süßer Milch vergnügt:
Der sich bey Zephirs Hauch, und kühlen Wasserfällen,
In ungesorgtem Schlaf, auf weichen Rasen streckt:
Der nie in hoher See das Brausen wilder Wellen,
Noch der Trompeten-Schall in bangen Zelten weckt.
Der seinen Zustand liebt, und niemals wünscht zu bessern,
Gewiß, der Himmel kann sein Glück nicht mehr vergrößern«

so kann ich auch zu Dir sagen, so auch Dein Glück und Deine National-Tugenden feiern. Laß auch mich mit den Worten Deines treuen Lehrers und Seelsorgers, der schon 30 Jahr Dir angehört und seine Thätigkeit Dir widmet, segenwünschend schließen: »Möge die Flamme des Krieges sich nie in Deinen friedlichen Hütten nahen, mögen Deine Fluren lange blühen, wie ein Garten Gottes! Mögest Du unter dem Panier des Friedens durch Religiösität, Fleiß,Redlichkeit und gute Sitten lange ein glückliches Volk bleiben, wie Du ein ausgezeichnetes bist!

Und so leb' wohl, Du Völkchen alter Sitte,
Im schönen Land', wo Glück und Fülle blüht;
Wo Frohsinn waltet in der kleinsten Hütte,
Ein gastlich Feuer auf dem Herde glüht.
Nie weiche Fried' und Freud' aus Deiner Mitte,
Wie auch die Zeit im Sturm vorüberzieht:
Hier sey, beschützt vor des Geschickes Schläger,
Ein stiller Zufluchtsort in Lieb' und Segen!
Der frische Sinn, das freie, rege Treiben,
Der Saaten Pracht, der Tristen bunte Zier,
Des Festtags Lust, gleich ferne vom Betäuben,
Wie von dem Zwange, -Wohlstand für und für;
Der Väter Tugend möge treu Dir bleiben,
Des Glückes schönster Ruheplatz sey hier,
Und wie sich auch der Jahre Flucht erneuert,
Sey immerdar dem Wanderer gefeiert!

  1. Gegenwärtig mein biedrer Freud W…, der seit länger als 25 Jahren diesen Posten verwaltet, die Liebe und das Zutrauen seiner Untergebnen, und die Wohlgewogenheit seines Königs besitzt.
  2. Ich wollte Euch zur Hochzeit einladen, Morgen über acht Tage in meines Vaters Haus. Ihr werdet vorliebnehmen, was ich aufbringen kann.
  3. Die Bitte wollte ich nicht gerne verweigert haben. Ihr müßt so viel besser nachdenken, als es bestellt ist.
  4. O! es ist gut genug bestellt.
  5. Wir wollen diesen Hufner nicht ganz aufzehren, laßt uns ein Haus weiter gehen. Wir haben einen guten Hufner gehabt. Wir wollen hinüber nach und sehen, der uns bewirthen wird.