Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/196

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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verträglich sein konnte. Mit Recht ward es von den Brüdern eingestanden, sie wären nicht vorsichtig genug darin gewesen, daß sie solchen Bedingungen sich anfänglich unterworfen hätten. Sie waren nun darüber sich völlig klar, daß wenn die Bedingungen nicht geändert würden, ihres Bleibens hier nicht sein könne, denn es ist so, wie ein ausgezeichneter Schriftsteller[1] neuer Zeit sagt: „Die Principien sind nicht bescheiden. Ihre Natur ist, daß sie herrschen, und darauf machen sie unerschütterlichen Anspruch. Treffen sie unterweges andere Principien, die ihre Herrschaft streitig machen wollen, so kommt es zur Schlacht. Ein Princip ruht nur, wenn es gesiegt hat; anders kann es nicht sein: Herrschaft ist sein Leben, sonst ist es todt.“ Hier kam es nun freilich zu keiner Schlacht; denn man wich zurück, und das entgegenstehende Princip behielt das Feld. Es wurde übrigens später erkannt, als man der Brüdergemeinde wieder eine Niederlassung bewilligte, daß ihr viel größere Freiheit gelassen werden müsse. Ehe es aber dazu kam, verging jedoch eine lange Zeit. Inzwischen hatte hier zu Lande die Brüdergemeinde noch viele Gegner, wenngleich es hin und wieder Einzelne gab, die ihr zugeneigt waren.

Unter den Personen, welche sich immer mehr ihr zuneigten, war aber der Generalsuperintendent Conradi. Dies war so bekannt, daß die Brüder ihm 1744 eine Berufung zusandten, ihr Bischof zu werden. Er lehnte diesen Ruf jedoch ab, weil es weder die Verhältnisse seines damaligen Amtes gestatteten, noch seine Pflichten, sein Gemüth, sein Alter und sein „preßhafter schon zweimal vom Schlag angestoßener Körper“ es ihm erlaubten, an eine derartige Veränderung zu denken.

Aber hier wie anderswo stellte sich jetzt heraus, daß selbst diejenigen, welche dem Pietismus zugethan waren, dennoch keinesweges der Brüdergemeinde beipflichteten. Der Pietismus hatte allerdings die Kirche reformiren wollen, aber die bestehende Kirche, ohne sich von derselben abzusondern. Männer der Hallischen Schule waren allmälig zu einflußreicheren Kirchenämtern gelangt. Ein geläuterter Pietismus war zu einer Herrschaft gekommen über die alte Schule


  1. J. H. Merle d'Aubigné, Gesch. der Reformation des XVI. Jahrh. Aus dem Französischen übertragen von Dr. Martin Runkel, I. Stuttgart 1848. Vorrede S. XVIII.