Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/003

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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aber mußte sich allmälig heimischer in der Dogmatik als in der Exegese fühlen. Und so war denn das siebenzehnte Jahrhundert das Zeitalter jener großen dogmatischen Werke, in welchen die Glaubenslehren mit allen Mitteln der Auslegung kirchenhistorischer und scholastischer Studien, der Moral, des Kirchenrechts, der Kirchenpraxis, der Polemik und der zeitalterlichen Formalphilosophie durchgearbeitet sind.[1] Die Loci von Gerhard (1610–1621) sind die gelehrteste, objektivste und anerkannteste Dogmatik des siebenzehnten Jahrhunderts, deren Hülfe bis auf diesen Tag kein lutherischer Dogmatiker entbehren kann. – Die Bedeutung von Gerhard's Loci liegt aber in den einzelnen Glaubensartikeln, nach der sogenannten analytischen Methode behandelt. Nach dieser Methode verarbeitete dann eine zweite Generation die Loci in Systeme, und diese Generation hat eine größere formale und materiale Schärfe. Es ist ja immer so, daß was die Meister, die einen Stoff erzeugt haben, in der Sache leisten, die Schüler, welche die Sache überkommen haben, in der Form einzubringen suchen. Der Epigone formulirt gern. Während die Häupter jener ersten Generation stets aus dem Leben, in welchem sie standen, einen weihenden und mildernden Einfluß aufnahmen, hat sich bei den orthodoxen Häuptern der zweiten Generation die Theorie vom Leben abgelöst und macht doch den Anspruch, das Leben tyrannisch zu beherrschen.

Die ganze Lehrweise auf den Gelehrtenschulen, welche für das Universitätsstudium vorbereiten sollten, und die Art des akademischen Studiums selbst war so beschaffen und dahin gerichtet, nach dem Reformationszeitalter eine neue Scholastik aufkommen zu lassen. In der Reformationszeit gaben die klassischen Studien die Vorbereitung, und das Studium der Heiligen Schrift war der Anfang und das Ende aller Theologie. Später lag der Schwerpunkt der Theologie in Dogmatik und Polemik, und die Exegese trat so zurück, daß bald in Leipzig keine einzige exegetische Vorlesung zu Stande kam. Die Kirchengeschichte wurde völlig vernachlässigt; sie wurde im siebenzehnten Jahrhundert meistens nicht von den Theologen, sondern nur von den Historikern von Profession getrieben, und durch diese in die Geschichte der vier Weltmonarchien eingefügt. Von den praktischen


  1. In Rücksicht auf die Dogmatik dieser Zeit und das Persönliche in dieser Beziehung sind die trefflichen Schriften von Tholuck zu vergleichen, welche Kahnis a. a. O. anführt.