Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/111

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Und es könnte ja auch schwach Dir werden,
Da Du eben schon so sehr erbleichst,
Darum nimm mich lieber zum Gefährten,
Bis Du Deine Mutter erst erreichst!
Seine Mutter war zwar eine kleine,
Aber durch und durch gescheidte Frau,
Als wir nun erzählten im Vereine
Ihr die Sach' von Anfang und genau,
Daß wir nur als Führer uns bekämpfet,
Und ich nicht den Hieb mit Fleiß gethan,
War ihr Zorn in der Geburt gedämpfet,
Und sie sah mich freundlich wieder an.
Doch es diente dieser Fall zur Lehre
Uns, den Führern, für die Folgezeit;
Denn es schlossen Frieden beide Heere,
Und es kam nicht mehr zum off'nen Streit.
Aber jünger war ich noch an Jahren,
Als ein Bauer mit dem Wagen mir
Ueber beide Beine ist gefahren,
Da ich eben saß vor seiner Thür'.
Meine Beine hatt' ich mit Vergnügen
Grade in den Fahrweg ausgestreckt,
Und ich ließ sie da auch ruhig liegen,
Weil ich nicht den Wagen hatt' entdeckt.
Leise fuhr derselbe, und ich machte
Eben eine Weidenpfeife mir;
In Gedanken tief versunken dachte
Ich an weiter gar nichts, außer ihr.
Darum hatte ich nicht wahrgenommen,
Daß der Nachbar, Gebhard's Nicolaus,
Mit dem Wagen war herangekommen;
Denn mein Pfeifchen war ja noch nicht aus.
Leider hatte ich nicht ehr gesehen
Diese, mich bedrohende Gefahr,
Bis derselben annoch zu entgehen,
Ich durchaus nicht mehr im Stande war.
Und so ging denn über meine Beine
Erst das Vorder-, dann das Hinterrad,
Und bis zu dem heut'gen Tage meine
Ich, ich wisse noch, wie weh es that.
Meine Mutter, die mich schreien hörte,
Kam gelaufen, um nach mir zu sehn,
Und ich konnte, als sie dies begehrte,
Noch allein auf meinen Füßen stehn.
Dann erst trug sie mich auf beiden Armen
Und zum Tod erschrocken schnell nach Haus;
Dorten zog sie, seufzend vor Erbarmen,
Mir geschwind die Schuh' und Strümpfe aus.
Von den Knieen an war losgerissen
Haut und Fleisch, und beides abgestreift,
Daß es unten hing auf meinen Füßen,
Wo es schlotternd hatte sich gehäuft.
Meine Mutter zog wie Strümpfe wieder
Meinen Beinen ihre Häute an,
Daß die eben noch geschundnen Glieder
Hurtig waren damit angethan.
Warmen Wein und Kräutersäckchen sollte
Nun mein Bruder halten in der Hand,
Weil die Mutter beides nehmen wollte,
Während sie die Beine mir verband.
Da er aber Blut nicht konnte sehen,
Wurde durch den Anblick er so schwach,
Daß er nicht mehr länger konnte stehen,
Und in Ohnmacht schnell zusammen brach.
„Halt' dich, Kleiner! denn vor allen Dingen,“
Sprach die Mutter jetzo zu mir sacht,
„Muß ich dem da erst zu Hülfe springen,“
„Bis er aus der Ohnmacht ist erwacht!“
Kaum war seine Schwäche überwunden,
Ist zu mir sie wieder hingeeilt,
Und da sie mich hatte recht verbunden,
Waren meine Beine bald geheilt.
Einen neuen Schrecken jagten wieder
Nachher wir den lieben Aeltern ein,
Als von Busenborn aus wir Gebrüder
Ohne sie besuchten den Bilstein.
Diese schroffe Felsenkuppe raget
Majestätisch weithin über's Thal,
Und kein Wunder, daß sie dem behaget,
Der sie sieht zum allerersten Mal.
Unsrer Neugier wollt' es nicht genügen,
Solche durch ein Perspectiv zu sehn,
Und die Aeltern ließen mit Vergnügen
Uns voraus und auf dieselben gehn.
Wenn ihr dort die Aussicht gern genießet,
Sprachen sie, so gehet schnell voraus,
Daß ihr dann euch wieder an uns schließet,
Und mit uns zusammen geht nach Haus!
Während wir nun auf den Felsen sprangen
Auf- und abwärts sonder Ruh' und Rast,
Waren sie im Thal vorbei gegangen,
Und wir hatten gänzlich sie verpaßt.