Herforder Chronik (1910)/352

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Herforder Chronik (1910)
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Einfluß auf die Stadtverwaltung zu erhalten, Beschuldigungen des Rates häuften sich, und die Auflehnung gegen die alten Zustände -

„eine sondere Auffwiegelung gemeiner Bürger“

nennt sie der Chronist - führte zu einem Zusammenschluß der Bürger, deren „Häupter“ einen Ausschuß von 50 Personen aus der allgemeinen Bürgerschaft beriefen. Diese sog. „Fünftziger“ sollten als quartum collegium, d. i. viertes Kollegium zu den vorhandenen drei Ständen treten mit der Aufgabe, die „gravamina“, d. i. Beschwerden der Bürger, zu sammeln und sie dem Magistrat zur Abhilfe vorzutragen. Es wurden 15 gravamina aufgestellt, die sich „mit Mißständen der allgemeinen Stadtverwaltung, mit der üblen Finanzwirtschaft des Rates und mit der ungenügenden Vertretung der Bürgerschaft im Stadtregiment“ beschäftigten.

Die Beschwerdeschrift wurde der Ravensberger Regierung eingesandt; allein ehe noch ein Bescheid von dort eintraf, hatten die unruhigen Bürger einen Schritt zur Selbsthilfe getan.

Schon längere Zeit hatte das Nichtbekanntgeben der Verwendung der vereinnahmten Kontributionsgelder böses Blut gemacht, jetzt setzten die Fünfziger eigene Kontributionsherren (Steuererheber) ein, welche nun die Kontribution erhoben. Diesem Eingriff in seine Rechte widerstrebte der Rat und verlangte Auslieferung der schon erhobenen Gelder; die Fünfziger schlugen das Ansinnen ab.

Da brach ein heller Streit aus zwischen Rat und Bürgerschaft, ein Streit, genährt durch das wachsende Mißtrauen der Steuerzahler und durch die ungenügenden Zugeständnisse seitens des Rates.

„Dieser troubell hatt fast bey 4 wochen gestanden.“ (Chronist.)

Friedrich Wilhelm, an den sich der Rat gewandt, hatte zwei Regierungsräte nach Herford abgeschickt, und ihrem Bemühen war es gelungen, den Rat zu weitergehenden Zugeständnissen zu bewegen. Aber dieser Sieg genügte der Bürgerschaft noch nicht; das Mißtrauen gegen die Redlichkeit der ratsherrlichen Verwaltung wollte nicht schwinden. Dazu kam, daß das Vertrauen in die Rechtlichkeit der Absichten des Kurfürsten, seiner Räte und besonders des kurfürstlichen Richters in Herford, Cleymann, die Bürgerschaft bei ihren Forderungen beharren ließ.

Der Chronist schreibt darüber:

„Alß aber der übrigen Punckte halber sich annoch einige schwierigkeit ergeben, ist erfolgt, daß wohlgeb. Churfürstl. Brandenburgische Räte abermahlig und zwahr uff empfangene Churfürstliche Kommission ins letzt vom Junio (d. i. Ende Juni) dieses 1650ten Jahres zu gentzlicher Sopirung (Beruhigung) deroselben anhero wieder angelangt und auch endlich die gentzliche gebrechen am 4ten Julii beigelegt (haben), worüber besondere Rezesse (Vergleiche) errichtet, so den 5ten Julii von Herren Bürgermeister, Schöffen und Rhatt, beystehern und Amtmeistern auch den auffgeworffenen (d. i. aufrührerischen) fünfftzig auß der gemeine zusammenderhande (d. i. sämtlich) resp. versiegeltt, unterschrieben und ausgewechselt (sind)!“