Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884/245

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884
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Grossherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1884.djvu
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Nr. 28.



      Weiter haben die Kreisärzte ihr Augenmerk auf etwaige gesundheitsschädliche Nahrungs- und Genußmittel und Gebrauchsgegenstände zu richten und eintretenden Falls die Aufmerksamkeit der Polizeibehörden auf solche zu lenken. Es ist ihnen indessen der Eintritt in die Räumlichkeiten, wo der Beaufsichtigung unterliegende Gegenstände feilgehalten werden, und die Einnahme von Proben nicht gestattet, da sie zu den Beamten der Polizei im Sinne des § 2 und 3 des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1879 nicht gehören. Von den Kreisärzten wird erwartet, daß sie zum Behufe dieser Vorprüfung in hierzu gearteten Fällen einzelne einfache mikroskopische oder chemische Untersuchungen vorzunehmen im Stande sind und auch von Amtswegen vornehmen, ohne daß sie jedoch hierfür Gebühren oder Auslagenersatz ansprechen oder ansprechen können.
      Wo die Vornahme eingehender chemischer Analysen nöthig erscheint, ist solche übrigens füglicher speciell sachverständigen Fachmännern (berufsmäßigen Chemikern oder Pharmaceuten) zu überlassen. Die Anordnung solcher ist Sache der Polizeibehörden, welchen auch die Wahl der Experten zusteht; die Kreisärzte sind nicht befugt, andere Sachverständige zuzuziehen oder zu beauftragen.109
      Außer Fleisch und Fleischwaaren sind der Aufmerksamkeit der Gesundheitsbeamten als der Aufsicht bedürftig insbesondere folgende Nahrungs- und Genußmittel und Gebrauchsgegenstände empfohlen: Milch, Butter, Schmalz, Käse, Mehl und Brod, künstliche Mineralwasser, Bier, Wein,110 Essig, Liqueure und Branntwein, Zucker, Kaffee, Thee, Chocolade, Gewürze, Conditorwaaren, Kinder-Nährmittel und Surrogate aller Art, Verzinnungen und Verpackungen, Töpfe und anderes Geschirr (Glasuren, Emailirungen) Kinderspielwaaren, Tapeten,111 gefärbte Gewebe und Papiere.
      In der Regel wird die von den Kreisärzten Seitens der Polizei- oder Justizbehörden geforderte Prüfung und Begutachtung sich lediglich darauf zu richten haben, ob und inwieweit der Genuß oder
§ 34.

vom 5. März 1883 im A. BI. M. A. f. G. Nr. 132; dazu siehe die Bekanntmachung vom 9. Mai 1883 über die Ausführung der gedachten Verordnung im Reg. Bl. Nr. 13).
      Landesgesetzliche Vorschriften, welche hier einschlägig sind, finden sich in dem Polizeistrafgesetz für das Großherzogthum Hessen. Von diesen betreffen insbesondere:

             1) Art. 206 und 324. Die Reinlichkeit der Oel- und Mahlmühlen und der dazu gehörigen Mahleinrichtungen und das Verbot des Mahlens von Gyps und Schwerspath auf Getreidemühlen.
             2) Art. 313-318. Die Fleischbeschau und den Fleischverkauf.
             3) Art. 325. Die Reinlichkeit in Schlachthäusern, auf Märkten oder in Werkstätten, wo Lebensmittel zubereitet oder verkauft werden.
             4) Art. 345. Die Verwendung schädlicher Farben bei der Herstellung von Zucker- und Conditoreiwaaren und Kinderspielzeuge.
             5) Art. 346. Die gesundheitsgefährdende Beschaffenheit von neuen Gefäßen und Werkzeugen, die für die Aufbewahrung, Bearbeitung oder den Genuß von Nahrungsmitteln bestimmt sind, etc.
             6) Art. 347. Die Verwendung von als gesundheitsgefährlich erklärten Farben oder Tapeten und anderen Stoffen für den Anstrich oder die Bekleidung von zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Räumen.

      Im Uebrigen bestehen für einzelne Städte gegebene Polizeireglements, welche insbesondere Bestimmungen über den Milchverkauf, die mikroskopische Fleischbeschau (Trichinenschau), das Einbringen und den Handel mit Fleisch und Fleischwaaren, den Gebrauch der Bierpressionen, den Verkauf von Petroleum etc. treffen.
      109 Vergleiche hierüber, sowie über die bei einschlägigen Requisitionen durch die Polizeibehörden oder Justizbehörden den Kreisärzten erwachsenden Aufgaben, deren Kosten und Gebühren das Ausschreiben, betr. die Ausführung des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1879 über den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc. vom 8. Juni 1881 (A. Bl. M. A. f. G. Nr. 85).
      110 Vergleiche das Ausschreiben des Ministeriums des Innern und der Justiz, betr. den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln, hier insbesondere mit Wein, vom 3. Juni 1881, mitgetheilt im A. Bl. M. A. f. G. Nr. 88.
      111 Bekanntmachung des Ministeriums des Innern, betr. den Verkauf gesundheitsschädlicher Tapeten und ähnlicher Gegenstände vom 21. September 1871. A. Bl. O. M. D. 1871 Nr. 7.