Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884/233

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884
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Grossherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1884.djvu
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Nr. 28.



      Soweit nicht bei einzelnen Krankheiten besondere Bestimmungen getroffen sind oder werden, ist es dem pflichtmäßigen Ermessen des Gesundheitsbeamten überlassen, welche Maßregeln er je nach dem Stande der Wissenschaft als erforderlich bezeichnen will.
      Als Schutzmaßregel gegen die Einschleppung und Verbreitung ansteckender Krankheiten im Allgemeinen, welche die Kreisgesundheitsbeamten je nach Lage des Falles durch Berathung mit den Polizeibehörden anzuregen haben, werden insbesondere die folgenden empfohlen:
§ 25.
1) Belehrung der Lokalpolizeibehörden über die Art der Einschleppung und Verbreitung, sowie die Erscheinungen der fraglichen Krankheiten.
2) Mahnung und Belehrung des Publikums in gleicher Hinsicht durch die Lokalpresse.
3) Erinnerung der Anzeigepflicht bei den hierzu verpflichteten Behörden und Personen, sowie der Verantwortlichkeit für die Absonderung Erkrankter.
4) Beaufsichtigung der Herbergen und Logirwirthschaften und Ueberwachung der in denselben vorkommenden Erkrankungsfälle.
5) Ebenso der Gefängnisse und polizeilichen Haftlokale.
6) Ueberwachung der Arbeiter bei Eisenbahnbauten etc.
7) Untersuchung der Armenhäuser.
8) Untersuchung der als insaluber erkannten Lokalitäten mit specieller Berücksichtigung der in früheren Epidemien vorzugsweise ergriffenen Häuser und deren Umgebung.
9) Ueberwachung der öffentlichen Reinlichkeit, Räumung und Desinfection von Abtritten, Dünger- und Senkgruben, der Abzugsgräben, Reinhaltung der Straßen und Hofräume.
10) Verschärfte Aufsicht auf Reinlichkeit bei der Ausübung der Gewerbe der Gerber, Seifensieder, Metzger etc.
11) Desinfection auf Eisenbahnstationen, in Gefängnissen, Gasthöfen und Wirthshäusern.
12) Verschärfung der Controle über die Nahrungsmittel und Getränke.
13) Visitation der Brunnen und Sorge für gutes Trinkwasser.
14) Verbot der Abhaltung von Messen, Jahrmärkten, Kirchweihen und Tanzmusiken; Schließen der Schulen.
15) Fürsorge für die nöthige ärztliche Hülfe.
16) Bereithaltung von Lokalen zur Isolirung oder Unterbringung von Kranken, sowie der für die Krankenpflege nöthigen Utensilien.
17) Vorkehrungen für den Krankentransport.
18) Auswahl und Bestellung der für die Krankenwartung geeigneten Persönlichkeiten.

      Art. 350. Wer die beim wirklichen Ausbruche einer ansteckenden Krankheit unter Menschen von der Polizeiverwaltung zur Abwendung von Gefahren und gegen Verbreitung der Krankheit angeordneten Sperr- und Sicherheitsanstalten verletzt, wird, insofern die begangene Uebertretung nicht unter § 327 des Deutschen Strafgesetzbuchs fällt, mit einer Geldstrafe von 5 bis 30 fl. oder Haft von 3-14 Tagen bestraft.
      Art. 352. Wer die von der Polizeiverwaltungsbehörde wegen Vernichtung oder Reinigung von Kleidungen, Leinenzeug, Bettwerk, oder anderen Geräthschaften, welche von Personen gebraucht worden sind, die an einer ansteckenden Krankheit darniedergelegen, ertheilten Vorschriften nicht befolgt, wird, insofern die begangene Uebertretung nicht unter § 327 des Strafgesetzbuches fällt, mit einer Geldstrafe von 3 bis 20 fl. oder Haft bis zu 8 Tagen bestraft; außerdem werden jene Gegenstände confiscirt.
      Art. 353. Wenn eine Person, welche wissentlich an einem ansteckenden Uebel leidet, sich als Amme verdingt und in den Dienst eintritt, ohne die Dienstherrschaft davon in Kenntniß zu setzen, oder wenn sie im Dienste von einem solchen Uebel befallen wird, und unter Verheimlichung dieses Uebels den Dienst fortsetzt, so wird dieselbe mit einer Geldstrafe von 3 bis 15 fl. oder Haft von 3 bis 14 Tagen bestraft.