Friedhöfe im Memelland/Historisches/AllgemeinesLandrecht

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Allgemeines preußisches Landrecht

Um die Bestimmungen zu Kirchhöfen (also auch zu den Begräbnissen) richtig einordnen zu können, ist ein kleiner Einblick in das Allgemeine preußische Landrecht nötig.

Es wurde 1794 von Friedrich dem Großen ratifiziert und galt bis ca. 1900 mit der Einführung des BGB. Sein Vorläufer waren die verschiedenen Rechtssammlungen (s.a. Der Sachsenspiegel) und war ihnen subsidiert, d.h. wenn im Rechtsraum des juristischen Falles kein anderes traditionelles Recht vorlag. Das wiederrum bedeutet, liegt Ihnen für Ihren Forscherbereich ein anders lautendes Gesetz vor gilt:


Gültigkeitsbereich

In der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht wird geklärt, in welchem Maße und wo das Gesetz zur Geltung kommt und wer es abändern darf. Es klärt also die Subsidität (hier von Bedeutung Kirche und Staat)


  • §1 Das allgemeine Landrecht enthält die Vorschriften nach welchen die Rechte und Verbindlichkeiten der Einwohner des Staats, so weit dieselben nicht durch besondere Gesetze bestimmt worden, zu beurtheilen sind.

und

  • §2 Besondere Provinzialverordnungen, und Statuten einzelner Gemeinheiten und Gesellschaften erhalten nur durch die Landesherrliche Bestätigung die Kraft der Gesetze[1]


Dieses gilt umgesetzt dann auch für die Parochien, Diasporas und Diazösen der Kirchengesellschaften, solange sie sich im Staatsbereich Preußens befinden:


Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften

Im ersten Band, zweiter Theil, elfter Titel wird die weltliche der kirchlichen Macht (im Licht der französichen Revolution) festgelegt:


  • §27 Sowohl öffentlich aufgenommen, als bloß geduldete Religions- und Kirchengesellschaften müssen sich, in allen Angelegenheiten, die sie mit anderen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staats richten.
  • §28 Diesen Gesetzen sind auch die Oberen, und die einzelnen Mitglieder, in allen Vorfällen des bürgerlichen Lebens unterworfen.
  • §32 Die Privat- und öffentliche Religionsübung einer jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen.


Als Ausnahme gelten nur die konfessionellen Richtlinien:


  • §66 Die besondern Rechte und Pflichten eines Katholischen Priesters, in Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die Vorschriften des canonischen Rechts; der protestantischen Geistlichen aber, durch die Consistorial- und Kirchenordnungen bestimmt.


Was Kirchenvermögen sey

Zum Kirchenvermögen (und dazu gehören auch die Liegenschaften, ergo die Kirchhöfe) bestimmen die Gesetze:

  • §160 Zu dem Vermögen der Kirchengesellschaften gehören die Gebäude, liegende Gründe, Capitalien und alle Einkünfte, welche zur anständigen Unterhaltung des äußern Gottesdienstes für jede Kirchengemeine nach deren Verfassung bestimmt sind.
  • §163 Ihm kommt es zu, dafür zu sorgen, daß nützliche Anstalten aus Mangel des Vermögens nicht zu Grunde gehen.


Was nicht nur Nachteile in der Selbstbestimmung hat, sondern auch Vorteile:


  • §174 Die Kirchengebäude sind von den gemeinen Lasten des Staats frey, und genießen alle Vorrechte der dem Staate zustehenden öffentlichen Gebäude.


Kirchhöfe

Als liegende Gründe gehören die Kirchhöfe den Kirchengemeinden, außer sie sind Gemeindefriedhöfe und unterliegen dann den staatlichen Bestimmungen, die entsprechend sind.


  • §183 Kirchhöfe, oder Gottesäcker und Begräbnißplätze, welche zu den einzelnen Kirchen gehören, sind der Regel nach das Eigenthum der Kirchengesellschaften.
  • §184 In den Kirchen, und in bewohnten Gegenden der Städte, sollen keine Leichen beerdigt werden.
  • §185 Bey Verlegungen der Begräbnißplätze können diejenigen, welche bisher erbliche Familienbegräbnisse in den Kirchen besessen haben, die unentgeltliche Anweisung eines schicklichen Platzes dazu auf dem neuen Kirchhofe fordern.
  • §186 Ohne Anzeige bey den geistlichen Obern sollen Leichen anderswo, als auf einem öffentlichen Kirchhofe, nicht begraben werden.
  • §187 Niemand kann (sich), durch Veranstaltung eines solchen Privatbegräbnisses, der Kirchencasse und der Geistlichkeit die ihnen zukommenden Abgaben entziehn.
  • §188 Ohne Erkenntniß des Staats soll niemanden das ehrliche Begräbniß auf dem öffentlichen Kirchhofe versagt werden.
  • §189. Auch die im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften der verschiedenen Religionsparteyen, dürfen einander wechselsweise, in Ermangelung eigner Kirchhöfe, das Begräbniß nicht versagen.
  • §190 Wo der Kirchhof erweislich nicht der Kirchengesellschaft, sondern der Stadt- oder Dorfgemeine gehört, da kann jedes Mitglied der Gemeine, ohne Unterschied der Religion, auch auf das Begräbniß daselbst Anspruch machen.


Wer zur Parochie gehöre

Infolge der Klärung, was zum Kirchenfundus gehört folgt anschließend die Klärung der Zugehörigekeit zu einer Kirchengemeinde (hier Parochie):


Nach Wohnsitz:

  • §260 Wer innerhalb eines Kirchspiels seinen ordentlichen Wohnsitz aufgeschlagen hat, ist zur Parochialkirche des Bezirks eingepfarrt.
  • §261 Doch soll niemand bey einer Parochialkirche von einer andern, als derjeniger Religionspartey, zu welcher er selbst sich bekennt, zu Lasten oder Abgaben, welche aus der Parochialverbindung fließen, angehalten werden; wenn er gleich in dem Pfarrbezirke wohnt, oder Grundstöcke darin besitzt.
  • §262 Wer noch keinen beständigen Wohnsitz hat, wird als Eingepfarrter derjenigen Parochie, zu welcher seine Aeltern gehört haben, betrachtet.
  • §269 Die Frau gehört zur Parochie des Mannes nur in so fern, als sie mit ihm einerley Glaubensbekenntnisse zugethan ist.
  • §272 Kinder, die noch unter der Aeltern Gewalt stehn, gehören zur Parochie desjenigen von den Aeltern, in dessen Glaubensbekenntnisse sie unterrichtet worden, oder deren Religionspartey sie gewählt haben.
  • §275 Das Gesinde gehört zu der Parochie seiner Religionspartey an dem Orte, wo es im Dienste der Herrschaft sich aufhält.
  • §276 Eben das gilt von Handwerksgesellen und Lehrburschen, in Beziehung auf den Wohnort des Meisters.


Nach Kirchenzugehörigkeit:

  • §270 Ist sie von einer verschiedenen Religionspartey: so gehört sie der Regel nach in diejenige Parochie, welcher die übrigen Mitglieder ihrer eigenen Religionspartey, in dem Bezirke, wo der Mann seinen Wohnsitz hat, unterworfen sind.
  • §273 Sind dergleichen Kinder von einem andern Glaubensbekenntnisse als beyde Aeltern: so *finden die Vorschriften §§270, 271. Anwendung.


Ohne Parochiezugehörigkeit ist:

  • §263 Wer den Wohnsitz seiner Aeltern aufgegeben, und keinen andern erwählt hat, ist nirgends eingepfarrt.
  • §271 Sind diese zu keiner Parochie geschlagen: so ist auch eine solche Frau von dem Pfarrzwange frey (in Verbindung zu §§269, 270).
  • §304 Wer seinen Wohnsitz außer den Gränzen seiner bisherigen Parochie verlegt, wird dadurch zugleich von dem Pfarrzwange derselben frey.[2]


Nachdem gelöst ist, in welcher Rangfolge Staats- und Kirchenrecht zu betrachten ist, was zur Kirche gehört und wer zu den Parochien können nun die Amtshandlungen betrachtet werden.


  • §422 Auch in einzelnen Fällen dürfen Eingepfarrte ihre Trauungen, Taufen, und Begräbnisse, durch einen andern, als den in ihrer Parochie bestellten Pfrarrer, ohne dessen Einwilligung nicht vornehmen lassen.

und

  • §427 Kein Geistlicher darf dergleichen Handlungen, die einer andern Parochie zukommen, ohne ausdruckliche Bewilligung des gehörigen Pfarrers vornehmen.


Diese Regelung schließt die freie Wahl des Geistlichen seitens des Gemeindemitgliedes aus, insofern sich die Geistlichen nicht einigen können.


Von Begräbnissen

Wahl der Begräbnisstätte

  • §453 Jeder Eingepfarrte muß der Regel nach in seiner Parochie begraben werden.
  • §454 Stirbt jemand außer seiner Parochie, jedoch an eben demselben Orte: so hat der Pfarrer seines Kirchspiels das Recht, zu fordern, daß die Beerdigung in seiner Parochie geschehe.
  • §455 Stirbt er aber an einem andern Orte: so haben die Hinterlassenen die Wahl, ob sie ihn da, wo er gestorben ist, begraben, oder in seine ordentliche Parochie zurückbringen lassen wollen.
  • §456 Ueberhaupt kann jeder Eingepfarrte sein und der Seinigen Begräbniß auch außerhalb seiner Parochie wählen.
  • §457 Hat der Verstorbene selbst gewählt: so ist es hinreichend, wenn nur seine Willensmeinung mit genügsamer Gewißheit bekannt ist.


Gebührenverordnungen

  • §458 Außer den Fällen des §§454, 455 müssen aber nicht nur dem Pfarrer und der Kirche, wo die Beerdigung geschieht, sondern auch dem Pfarrer und der Kirche, denen sie eigentlich zukommt, die Gebühren entrichtet werden.
  • §459 Doch haben letztere, wenn nach §457 der Verstorbene selbst gewählt hat, nur solche Gebühren zu fordern, die, nach der Verfassung jedes Orts, von allen Begräbnissen derjenigen Classe, zu welcher die Leiche gehört, nothwendig zu entrichten sind.
  • §460 Soll eine Leiche, auf bloßes Verlangen der Hinterlassenen, außer der gehörigen Parochie begraben werden: so müssen letztere dem Pfarrer und der Kirche dieser Parochie, außer den nothwendigen Gebühren, auch diejenigen Handlungen und Feyerlichkeiten, welche sie bey der fremden Kirche vornehmen lassen, taxmäßig bezahlen.
  • §461 Wer ein Erb- oder Familienbegräbniß außerhalb des Kirchspiels hat, kann verlangen, daß sein und der Seinigen Leichname dahin abgeführt werden.
  • §462 Doch sind auch alsdann der Kirche und dem Pfarrer, für welche das Begräbniß eigentlich gehören würde, der Regel nach, die ihnen nach § 459 zukommenden Gebühren ohne Abzug zu entrichten.


Umbettungen, Verlegungen und Parochiewahl

  • §463 In allen Fällen, wo eine Leiche durch einen andern Gerichtsbezirk geführt werden soll, muß bey dem Obergerichte der Provinz ein Leichenpaß gesucht werden.
  • §464 Kann ein solcher Paß nicht vorgezeigt werden: so hat die ordentliche Obrigkeit jeden Orts der Durchfuhre das Recht, zu verlangen, daß der Sarg geöffnet, und ihr die Besichtigung der Leiche gestattet werde.
  • §465 Die Pfarrer, durch deren Kirchspiel die Leiche gebracht wird, können davon weder für sich, noch für die Kirche, Gebühren fordern.
  • §466 Jeder Pfarrer, von welchem, bey Gelegenheit der Durchfuhre, gewisse Amtshandlungen oder andere Feyerlichkeiten ausdrücklich verlangt werden, hat davon die Gebühren, für sich und die Kirche, nach der Taxe des Orts zu fordern.


Sonderfall: Ansteckende Krankheiten (Seuchenschutz)

  • §467 Ist der Todte an einer ansteckenden Krankheit verstorben; so, daß durch Wegbringung der Leiche die Ansteckung verbreitet werden könnte: so muß die Leiche schlechterdings, und ohne Unterschied der Fälle, da, wo sie ist, beerdigt werden.
  • §468 Alsdann sind aber auch die Gebühren nur dem Pfarrer und der Kirche der Parochie, wo die Beerdigung wirklich geschehen ist, zu entrichten.


Anzeigepflicht des Pfarrers

  • §469 Jeder Todesfall muß dem Pfarrer des Kirchspiels, in welchem er erfolgt ist, angezeigt werden.
  • §470 Eben das gilt auch bey Personen, die sonst keiner Parochie unterworfen sind.
  • §471 Auch von todtgebornen, oder vor der Taufe gestorbenen Kindern, muß die Anzeige dem Pfarrer geschehen.


Sonderfall: Totgeburten

  • §472 Auch solche Kinder dürfen ohne Vorwissen des Pfarrers nicht außerhalb dem öffentlichen Kirchhofe begraben werden.


  • §473 Der hinterlassenen Familie, und in deren Ermangelung dem Wirthe des Hauses, in welchem der Todesfall erfolgt ist, liegt es ob, denselben anzuzeigen.


Vermeidung von Lebendbestattungen

  • §474 Der Pfarrer muß sich nach der Todesart erkundigen, und dem Todtengräber aufgeben, bey der Einlegung der Leiche in den Sarg, und bey dessen Zuschlagung gegenwärtig zu seyn.
  • §475 So lange es noch im geringsten zweifelhaft ist: ob die angebliche Leiche wirklich todt sey, muß das Zuschlagen des Sarges nicht gestattet werden.
  • §476 Die nähern Bestimmungen wegen der zur Verhütung des Lebendigbegrabens nöthigen Vorsichten, bleiben den besondern Polizeyverordnungen vorbehalten.


Anzeige bei gewaltätigen Todesarten

  • §477 Alle gewaltsame Todesarten, so wie deren bey Besichtigung der Leiche sich ergebende Vermuthungen, muß der Pfarrer der ordentlichen Obrigkeit schleunigst anzeigen, und vor erfolgter Untersuchung weder das Begräbniß, noch die Abfuhr gestatten.


Sonstige und doppelte Anzeigepflicht

  • §478 Ist dem Pfarrer bekannt, daß der Verstorbene minderjährige, wahn- oder blödsinnige, oder aus andern gesetzlichen Gründen unter Vormundschaft zu setzende Kinder, oder sonstige Erben hinterlasse: so muß er der Obrigkeit davon Anzeige machen.
  • §479 Diese Anzeige muß der Regel nach derjenigen Behörde, unter welcher der Verstorbene seinen persönlichen Gerichtsstand hatte; wenn aber diese dem Planer unbekannt, oder außerhalb der Provinz ist, dem nächsten Gerichte geschehen.
  • §480 Sowohl der Pfarrer des Kirchspiels, in welchem der Todesfall erfolgt, als der, wo die Beerdigung geschehen ist, sind zu dieser Anzeige verpflichtet.

Quellen

  1. 4)"Wer außer dem Landesherren in einer Provinz allgemeine Verordnungen sollte erlassen können, weiß man nicht. Das Erfordernis der landesherrlichen Bestätigung erscheint daher als eine müßige Bestimmung. Vielleicht hat man dabei an die damals üblichen Provinzialverwaltungen durch besondere Provinzialminister gedacht; doch auch diese konnten schon nach allgemeinen Grundsätzen keine das Recht ändernde Bestimmungen erlassen" in: Dr. C. F. Koch, Landrecht für die preußischen Staaten mit Kommentar in Anmerkungen, Erster Theil, Erster Band, Berlin 1852, Seite 25, unten Anm. Nr. 4
  2. Anm. Hier treffen dann die Bestimmungen zu, dass derjenige vom Pfarrzwange befreit ist, bis die Zuständigkeit durch Wohnortwechsel erhellt ist