Elsass/Geschichte

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Das Elsass mit dem Rhein als Ostgrenze war fast während seiner gesamten Geschichte Grenzland. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert lebten hier die keltischen Nemeter, Triboker und Rauriker. Im Jahre 58. v. Chr. vereitelte Julius Cäsar einen Eroberungsversuch durch die Sueben unter Ariovist, was mit dem Beginn der römischen Eroberung Galliens zusammenfällt. Als Teil der römischen Provinz Germania Superior gehörte das Elsass nun für die nächsten Jahrhunderte zum Römischen Reich. Bereits im dritten nachchristlichen Jahrhundert brachen die Alemannen, ein loser Zusammenschluss suebischer Teilstämme und anderer Germanenstämme, im Elsass ein, aber erst 406/407 fiel es endgültig in ihre Hände. 496 wurden die Alemannen von den Franken unter dem Merowingerkönig Chlodwig unterworfen und nach und nach christianisiert; das Elsass gehörte nun zu Austrasien. Übrigens taucht in dieser Zeit (610) der Begriff Elsass erstmals beim Chronisten Fredegar als Alesaciones auf. Graf Adalrich oder Eticho (670-695), vermutlicher Ahnherr der Habsburger, ist als eine der markantesten Persönlichkeiten des frühmittelalterlichen Elsass zu erwähnen.

Zu Beginn des 9. Jahrhunderts kam unter Karl dem Großen dem Elsass als Herzland seines Reiches auch politisch eine zentrale Bedeutung zu. Als seine Enkel dieses Reich im Vertrag von Verdun 843 in drei Reiche aufteilten, lag das Elsass in Lothars Gebiet Lothringen, in der Mitte zwischen dem germanischen Osten und dem romanischen Westen, und wurde im Frieden von Mersen 870 dem germanischen Ostreich als Teil des Herzogtums Schwaben einverleibt. Bereits etwa um diese Zeit zerfiel das Gebiet in unzählige geistliche und weltliche Herrschaften, was sich bis ins 18. Jahrhundert praktisch nicht änderte.

Eine der mächtigsten Familien Schwabens waren die Staufer oder Hohenstaufen. 1152 erlangte Friedrich Barbarossa, ein führendes Mitglied dieser Familie, den Kaiserthron. Er war der geeignete Mann, der der Monarchie zur Erholung nach dem Investiturstreit verhalf. Ein Teil seiner Taktik war, zur Stärkung der Herrschaft Reichsländer zu begründen; so wurde das Elsass 1212 erstmals so geformt, wie wir es heute kennen. Es war eine Provinz (procuratio, um den von den Römern überkommenen Begriff zu verwenden), die von nicht-adeligen Dienstmannen, sogenannten Ministerialen regiert wurde. Man nahm an, dass diese leichter zu beeinflussen und geeigneter waren, Kronlehen aus eigenem Besitz zu empfangen. Die besondere historische Rolle Friedrichs II. für das Elsass liegt darin, dafüer etwa ein Dutzend Städte gründete. Die Provinz hatte einen einzigen Gerichtshof (Landgericht) und eine zentrale Verwaltung mit Sitz in Hagenau.

Während seiner Regierungszeit ernannte Friedrichs II. den Bischof von Straßburg zum Verwalter des Elsass, aber die Autorität des Bischofs wurde von Graf Rudolf von Habsburg untergraben, der seine Rechte von Friedrichs Sohn Konrad IV. erhielt. Straßburg, das das seit dem 4. Jahrhundert Bischofssitz war, begann zu wachsen und wurde die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich bedeutendste Stadt der Region. 1262 erlangten die Bürger nach einer langen Auseinandersetzung mit dem regierenden Bischof den Status einer freien Reichsstadt. Als Haltepunkt auf der Handelsroute von Paris über Wien in den Orient sowie als Hafen am Rhein, der Süddeutschland und die Schweiz mit den Niederlanden, England und Skandinavien verband, wurde es das wirtschaftliche und politische Zentrum der Region. Auch Städte wie Colmar und Hagenau erlangten eine wirtschaftliche Bedeutung und gewannen eine Art Autonomie innerhalb des 1354 begründeten Zehnstädtebundes, eines Zusammenschlusses von 10 direkt dem Kaiser unterstehenden Städten.

Etwa um diese Zeit nahm die Zentralgewalt im Deutschen Reich ab, gefolgt von kaiserlichen Abenteuern in Italien. Schließlich ging die Hegemoniestellung in Europa an Frankreich über, das schon lange zentralistisch regiert wurde. Nun begann Frankreich eine aggressive Expansionspolitik nach Westen, zunächst bis zur Rhone und Maas, und nachdem diese Grenzen erreicht waren in Richtung Rhein. 1299 schlugen sie sogar ein Ehebündnis zwischen der Schwester des französischen Königs Philipps des Schönen und dem Sohn des deutschen Königs Albrechts I. von Habsburg vor; die Mitgift sollte das Elsass sein, doch der Handel kam nicht zustande. 1307 gelang es den Grafen von Mömpelgard (Montbéliard) erstmals, die Herrschaft über die Stadt Belfort zu erlangen.

Im Hundertjährigen Krieg mit England wurde nun Frankreich militärisch schwer angeschlagen, was es für einige Zeit an Aktivitäten in dieser Richtung hinderte. Nach Beendigung des Krieges war Frankreich wieder frei, sein Streben zum Rhein fortzusetzen. 1444 erschienen französische Truppen in Lothringen und im Elsass. Hier bezogen sie Winterquartier und forderten die Unterwerfung von Metz und Straßburg; auch stießen sie auf Basel vor.

Nach dem Frieden von St. Omer wurde das Oberelsass von Herzog Sigismund dem Münzreichen an Karl den Kühnen, Herzog von Burgund, verkauft. Die Steuerzahlungen gingen aber an den deutschen Kaiser. 1477 verlor Karl der Kühne in der Schlacht bei Nancy sein Leben. Burgund fiel seiner Tochter Maria als Erbe zu, die Kaiser Maximilian I. heiratete, womit auch unter anderen das Elsass als Ganzes wieder an die Habsburger kam (ausgenommen die Freistädte, aber einschließlich Belfort). Etwas später, nämlich 1515 schloss sich die Stadt Mühausen der Schweizerischen Eidgenossenschaft an, um darin bis 1798 zu verbleiben.

Zur Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert war Straßburg eine blühende Stadt und seine Einwohner wurden bereits 1523 protestantisch. Bald wurde die Stadt durch den Reformator Martin Bucer zu einer der Drehscheiben der Reformation. Eine Folge der Gegenreformation unter Führung der katholischen Kirche und der (katholischen) Habsburger war letztlich, dass das Elsass zum Flickenteppich der beiden christlichen Religionen wurde.

An dieser Situation änderte sich bis zum Dreißigjährigen Krieg kaum etwas. 1639 wurden das Elsass weitgehend von Frankreich erobert, um zu vermeiden, dass es in die Häde der spanischen Habsburger fällt, die einen Zugang zu ihren wertvollen, aber aufständischen niederländischen Besitzungen benötigten. 1646 sahen sich die die Habsburger, von ihren Feinden im Westen und auch in Ungarn von den Türken hart bedrängt, gezwungen, den im Oberelsass gelegenen Sundgau an Frankreich, das ihn besetzt hielt, für eine Summe von 1.200.000 Talern zu verkaufen.

Als die Feindseligkeiten durch den Westfälischen Frieden 1648 schließlich beendet wurden, kam der überwiegende Teil des Elsass zu Frankreich, ausgenommen einige Freistädte. Die Vertragsabmachungen bezülich des Elsass waren ausgesprochen verwirrend. Man nimmt an, dass die Absicht dahinterstand, dass weder der franzöische Kö noch der deutsche Kaiser vollständige Kontrolle haben sollte; auch entstünde durch das gegenseitige Ausspielen eine gewisse Autonomie für das Elsass. Verteidiger dieser Theorie führen an, dass die Abmachungen durch den kaiserlichen Bevollmächtigten Isaac Volmer, den ehemaligen Kanzler des Elsass, getroffen wurden.

Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) war einer der schlimmsten Zeitabschnitte in der Geschichte des Elsass. Er führte zu Tod oder Flucht einer großen Bevölkerungszahl insbesondere auf dem Lande, da das Land mehrfach und wechselnd von französischen, schwedischen oder kaiserlichen Truppen besetzt und verwüstet wurde. Zwischen 1648 und der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen viele Einwanderer insbesondere aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland, Österreich, Lothringen und Savoyen. Zwischen 1671-1711 flohen viele Wiedertäufer aus der Schweiz, überwiegend aus dem Kanton Bern ins Elsass; Straßburg wurde so zum Zentrum der frühen Wiedertäufer-Bewegung.

Frankreich festigte seine Besitzungen im Vertrag von Nimwegen 1679, der auch die Städte unter seine Kontrolle brachte. Überraschend besetzte und annektierte es 1681 Straßburg. Diese territorialen Veränderungen wurden nach dem Pfälzer Erbfolgekrieg im Vertrag von Rijswijk 1691 bestätigt, aber vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis 1697 nicht anerkannt. So wurde schließlich das ganze Elsass französisch.

Kriege (Pfälzer, Spanischer und Österreichischer Erbfolgekrieg), ständige Kriegsbedrohung, Naturkatastrophen, Hungersnöte und Überbevölkerung veranlassten im 18. Jahrhundert Zehntausende Elsässer zur Auswanderung in die durch die Habsburger von den Türken zurückeroberten und menschenleere Gebiete des ehemaligen Südungarn, vorwiegend Banat und Batschka.

Das Jahr 1789 brachte die Französische Revolution und damit die erste Aufteilung des Elsass in die beiden Départemente Ober- und Unterrhein (Haut- und Bas-Rhin). Viele Einwohner des Sundgaus unternahmen Wallfahrten nach Mariastein bei Basel, um Kinder taufen zu lassen oder um zu heiraten.

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts opponierten viele Elsässer gegen die Jakobiner und sympathisierten mit den eindringenden österreichischen und preußischen Streitkräften, die die junge Revolution niederschlagen wollten. Nach dem Sieg der französischen Revolutionsarmee am Rhein flüchteten Zehntausende vor ihr nach Osten. Als später eine Rückkehr erlaubt wurde (in einigen Fällen nicht vor 1799), stellte sich oft heraus, dass ihre Habe konfisziert war. Diese Gegebenheiten führten zu einer Massenauswanderung von Familien nach Russland insbesondere in den Jahren 1803/04 und 1808. Als Zeitzeuge hat Goethe in dem Werk Hermann und Dorothea seine Eindrücke dieser Ereignisse treffend wiedergegeben.

Als Reaktion auf die Wiedereinsetzung Napoleons wurde das Elsass 1814/15 von fremden Truppen besetzt, darunter 280.000 Soldaten und 90.000 Pferde allein im Departement Niederrhein. Dies hatte starke Auswirkungen auf Wirtschaft und Handel der Region, zumal die alten Handelsrouten neuerlich an die Häfen des Mittelmeeres und Atlantiks angeschlossen waren. Um diese Zeit wuchs die Bevölkerung rasch: von 800.000 im Jahre 1814 auf 914.000 im Jahre 1830 und 1.067.000 im Jahre 1846. Die Kombination all dieser Faktoren bedeutete Hunger, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit für die junge Generation. Deshalb wundert es nicht, dass nun viele, wie erwähnt nach Russland, aber auch nach Amerika auswanderten, wo nach dem Verbot der Sklaveneinfuhr 1807 Arbeiter für die Baumwollfelder gebraucht wurden.

Viele der amerikanischen und russischen Werber arbeiteten für Schiffseigner und machten den rastlosen Elsässern maßlos übersteigerte Versprechungen. Wenn sie einwilligten und heimlich das Elsass verließen, fanden sie sich oft in eine große Abhängigkeit gezwungen. Dies häufte sich derart, dass die Generalversammlung von Lousiana ein Gesetz zum Schutz der Einwanderer erließ. Doch die Schiffseigner ließen sich etwas Neues einfallen: sie verlangten überhöhte Summen für die Passage. Trotzdem wanderten zwischen 1817 und 1838 mehrere Zehntausend Siedler nach Russland und Amerika aus.

1840 machte der Elsässer Henri Castro einen Vertrag mit der Republik Texas, elsässische Siedler im Tausch für ausgedehnten Landbesitz zu werben. So kamen ab 1842 viele nach Castroville und andere Orte von Texas. Jedoch zeigte sich, dass Castro die Anzahl der geworbenen Siedler betreffend nur den zweiten Platz nach Stephen Austin einnahm.

Elsaß-Lothringen

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870-71) musste Frankreich das Elsass (ausgenommen das Gebiet Belfort) und große Teile Lothringens (Departement Mosel) an das neue, das zweite Deutsche Reich abtreten. Die Geschichte des Elsass wurde nun die des Reichslandes Elsaß-Lothringen. 1872 wurde das Tal der Bruche, Teil des Departements Vogesen, an Elsaß-Lothringen angegliedert. Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-18) wurde das Elsass wieder Frankreich einverleibt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Elsass 1940 von Deutschland annektiert und bildete bis 1945 zusammen mit Baden den Gau Oberrhein. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gehört es wieder zu Frankreich. Insbesondere auf dem Lande wird noch das allmählich aussterbende Elsässisch (ein dem Alemannischen und Schwäbischen verwandter deutscher Dialekt) gesprochen, und es erscheinen im Elsass zwei deutschsprachige Tageszeitungen.

Das Elsass liegt im Herzen Europas; seine Hauptstadt Straßburg ist eine der Hauptstädte des neuen Europa: Hier finden sich der Europarat, das Europaparlament, der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte und das Europäische Jugendzentrum. Durch seinen Kontakt mit der französischen und der deutschen Kultur fällt dem Elsass im neuen Europa eine bedeutende konstruktive Rolle zu.

historische Literatur

  • Lamesfeld, Jean, Geschichte der elsass-lothringischen Kolonisation des 18. Jahrhunderts in Hungarien im Wandel der Zeiten, 1975
  • Meyer-Siat, P., Historische Orgeln im Elsaß, 1489-1869, München, 1983
  • Neu, Heinrich, "Elsässer und Lothringer als Ansiedler in Nordamerika", Jahrbuch der Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg, 1930, Heidelberg, Bd. 3, S. 98-129 [FHL microfilm 1071428, item 4]
  • Niese, Verwaltung des Reichsgutes
  • Schneider, F., Kaiser Friedrich II. u. der Staat, 1930
  • Schneider, F., "Kaiser Friedrich II. und seine Bedeutung für das Elsaß", Elsaß-Lothringisches Jahrbuch, IX, 1930
  • Schürmann-Roth, J., Luzerner Auswanderer 1640-1740, 1985.
  • Stricker[t], Eberhart "Schweizer Einwanderung ins Elsaß", in Jahrbuch der Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg, Bd. 10., 1937. [FHL microfilm 1071428, item 6]
  • "Auswanderung in Elsaß-Lothringen in den Jahren 1871-1905", EMGV 1:182
  • Das Reichsland Elsaß-Lothringen 1871 - 1918, Frankfurt am Main, Selbstverlag des E.-L.Institut, 1931-1938 (5 Bände)
  • Das Elsaß von 1870 bis 1932, Colmar, Alsatia, 1936 - 1938 (4 Bände)

andere Literatur

  • Barth, Prof. Dr. Medard, Großbrände und Feuerlöschwesen des Elsaß vom 13. bis 20. Jahrhundert, Barr, 1874
  • Flacke, Otto, Rund um die elsässische Frage, Karlsruhe, 1911
  • Hiery, Hermann, Reichstagswahlen im Reichsland, Düsseldorf, 1986
  • Kassel, Auguste, Conscrits, Musik und Tanz im alten Elsaß, Guebwiller, 1929
  • Spindler, Charles, L'Alsace pendant la guerre, Strasbourg, 1925 (Kriegserinnerungen eines elsässer Künstlers)
  • Spindler, Charles, L'âge d'or d'un artiste en Alsace. Mémoires inédits 1889-1914. Colmar & Nancy: 2009 (Vorkriegserinnerungen desselben)
  • Wittich, Werner, Deutsche und französische Kultur im Elsass, Strassburg 1900 (Digitalisat: http://wiki-de.genealogy.net/Deutsche_und_franz%C3%B6sische_Kultur_im_Elsass )
  • Rosse, Dr.J., M. Stuermel, A. Bleicher, F. Deiber and J. Keppi Das Reichsland Elsaß-Lothringen, Landes- und Ortsbeschreibung, Statistik, Statistisches Bureau des Ministeriums E.-L., 1905
  • Elsaß-Lothringischer Musikbund, 1907
  • Elsaß-Lothringischer Sägerbund, 1907